Lade Inhalt...

Nie wieder Krieg

gleichheit 2,3/2016

von Peter Schwarz (Herausgeber:in)
©2016 52 Seiten

Zusammenfassung

Die neue Ausgabe der gleichheit trägt den Titel »Nie wieder
Krieg« und zeigt auf dem Cover eine demonstrierende Frau,
die mit mahnender Geste entschlossen für den Kampf gegen
Krieg eintritt. Das berühmte Plakat hat die Künstlerin Käthe
Kollwitz 1924 für den Mitteldeutschen Jugendtag der Sozialistischen
Arbeiterbewegung entworfen.
Kollwitz war keine Marxistin, aber ihr Appell ist von
brennender Aktualität. Die Reden, die führende Vertreter
des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
am 1. Mai 2016 auf der internationalen Online-Kundgebung
des IKVI gehalten haben und die einen großen Teil dieser
Ausgabe bilden, verdeutlichen, wie groß die Gefahr eines
Dritten Weltkriegs ist.
25 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion ist die Welt
ein Pulverfass. Die Europäische Union befindet sich nicht
erst seit dem Brexit-Referendum in einer tiefen Krise und
bricht rasch auseinander. Weite Teile des Nahen und Mittleren
Ostens und Nordafrikas wurden durch die Interventionen
der europäischen Mächte und der USA in Schutt und Asche
gelegt. In Osteuropa organisiert die NATO einen gigantischen
Militäraufmarsch gegen die Atommacht Russland. In
Afrika findet ein neuer Wettlauf der imperialistischen Mächte
um Rohstoffe und Einflusssphären statt. Und in Asien bereiten
sich die USA unter dem Schlagwort »Pivot to Asia« auf
einen Krieg gegen China vor.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Editorial: Nie wieder Krieg!

Liebe Leserinnen und Leser,

die neue Ausgabe der gleichheit trägt den Titel »Nie wieder Krieg« und zeigt auf dem Cover eine demonstrierende Frau, die mit mahnender Geste entschlossen für den Kampf gegen Krieg eintritt. Das berühmte Plakat hat die Künstlerin Käthe Kollwitz 1924 für den Mitteldeutschen Jugendtag der Sozialistischen Arbeiterbewegung entworfen.

Kollwitz war keine Marxistin, aber ihr Appell ist von brennender Aktualität. Die Reden, die führende Vertreter des Internationalen Komitees der Vierten Internationale am 1. Mai 2016 auf der internationalen Online-Kundgebung des IKVI gehalten haben und die einen großen Teil dieser Ausgabe bilden, verdeutlichen, wie groß die Gefahr eines Dritten Weltkriegs ist.

25 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion ist die Welt ein Pulverfass. Die Europäische Union befindet sich nicht erst seit dem Brexit-Referendum in einer tiefen Krise und bricht rasch auseinander. Weite Teile des Nahen und Mittleren Ostens und Nordafrikas wurden durch die Interventionen der europäischen Mächte und der USA in Schutt und Asche gelegt. In Osteuropa organisiert die NATO einen gigantischen Militäraufmarsch gegen die Atommacht Russland. In Afrika findet ein neuer Wettlauf der imperialistischen Mächte um Rohstoffe und Einflusssphären statt. Und in Asien bereiten sich die USA unter dem Schlagwort »Pivot to Asia« auf einen Krieg gegen China vor.

Die Stärke der hier veröffentlichten Analysen liegt vor allem darin, dass sie die Ursachen und Gründe der Kriegsentwicklung aufzeigen und eine Perspektive für den Kampf gegen Krieg geben. In einem Beitrag heißt es: »Das Programm für einen solchen Kampf muss antikapitalistisch und sozialistisch sein. Krieg kann nicht verhindert werden, ohne das Wirtschaftssystem – den Kapitalismus – abzuschaffen, das ihn hervorbringt. Und schließlich muss der Kampf gegen Krieg auf internationaler Ebene geführt werden.«

Das IKVI betont dabei seit langem, dass der Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung einen systematischen politischen und theoretischen Kampf gegen pseudolinke Parteien und Gruppierungen erfordert. Ein Höhepunkt zu diesem Thema ist das Interview mit David North, dem Chefredakteur der World Socialist Web Site. Peter Schwarz zeigt in seiner Besprechung von Sahra Wagenknechts neuem Buch »Reichtum statt Gier«, welche extrem nationalistischen und pro-kapitalistischen Positionen Parteien wie Die Linke in Deutschland oder Syriza in Griechenland mittlerweile vertreten.

»Eine neue revolutionäre Bewegung gegen Krieg, ist nicht nur nötig, sie ist auch möglich«, heißt es im Wahlaufruf der Partei für Soziale Gleichheit (PSG) für die Berliner Abgeordnetenhauswahl. Wir veröffentlichen ihn zusammen mit Erklärungen unserer amerikanischen und britischen Genossen, die mit eigenen Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen in den USA antreten und im EU-Referendum in Großbritannien zu einem »aktiven Boykott« aufriefen.

Weltweit kämpfen das IKVI und seine Sektionen dafür, der wachsenden Opposition gegen Sozialabbau und Krieg eine unabhängige politische Perspektive zu geben. Wir rufen all unsere Leser dazu auf, die Analysen und Artikel der neuen gleichheit genau zu studieren, und diesen Kampf nach Kräften zu unterstützen!

Die Redaktion

  • Editorial

Editorial: Nie wieder Krieg

  • May Day 2016

May Day 2016
Einleitung von David North, Chefredakteur der World Socialist Web Site und Vorsitzender der Socialist Equality Party in den USA

Die politischen Aufgaben der arbeitenden Bevölkerung auf dem indischen Subkontinent
Von Wije Dias – Generalsekretär der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Kriegsverherrlichung und Kriegsvorbereitung
Von Cheryl Crisp, stellvertretende Nationale Sekretärin der Socialist Equality Party (Australien)

Tretet den Kriegsvorbereitungen im Pazifik entgegen
Von James Cogan, Nationaler Sekretär der Socialist Equality Party (Australien)

Der Konflikt zwischen den USA und China und die politische Krise in Lateinamerika
Von Bill Van Auken, WSWS-Redakteur für Lateinamerika

Wieder erhebt der deutsche Militarismus sein Haupt
Von Ulrich Rippert, Vorsitzender der Partei für Soziale Gleichheit

Die Krise der Europäischen Union und die Kriegsgefahr
Von Peter Schwarz, Sekretär des Internationalen Komitees der Vierten Internationale

Die Flüchtlingskrise und das Zeitalter des ununterbrochenen Kriegs
Von Julie Hyland, stellvertretende Nationale Sekretärin der Socialist Equality Party (Großbritannien)

Das Brexit-Referendum und der Kampf gegen Nationalismus und Krieg
Von Chris Marsden, Nationaler Sekretär der Socialist Equality Party (Großbritannien)

Krieg und die amerikanischen Präsidentschaftswahlen
Von Jerry White, Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party (USA)

Die internationale Arbeiterklasse ist eine enorme soziale Kraft
Von Joseph Kishore, nationaler Sekretär der Socialist Equality Party (Vereinigte Staaten)

Der 1. Mai 2016 und die Zukunft des Sozialismus
Von Joseph Kishore – 5. Mai 2016

  • Marxismus und die Pseudolinke

Marxismus und die Pseudolinke
David North im Gespräch auf der Leipziger Buchmesse – 1. April 2016

Ein Vermerk über demoralisierte Opportunisten
Von David North – 21. April 2016

Warum werden Russland und China »imperialistisch« genannt?
Eine Fallstudie über theoretische Betrügerei
Von Johannes Stern – 15. April 2016

Wie Marx21, die SAV und RIO die Rechtswende der Linkspartei rechtfertigen
Von Johannes Stern und Peter Schwarz – 14. Mai 2016

Sahra Wagenknechts Plädoyer für Nationalismus und Marktwirtschaft
Von Peter Schwarz – 24. März 2016

  • Wissenschaft und Kriegspropaganda

Cem Özdemir konfrontiert Jörg Baberowski mit dessen menschenverachtenden Forderungen
Von Christoph Vandreier und Peter Schwarz – 31. Mai 2016

»Berliner Korrespondenzen«: Humboldt-Universität im Dienste des Militarismus
Von Johannes Stern – 18. Juni 2016

  • Vierte Internationale

Für einen aktiven Boykott des Brexit-Referendums!
Erklärung der britischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
(Socialist Equality Party) – 5. März 2016

Der Weg vorwärts nach dem Brexit-Referendum
Erklärung der Socialist Equality Party (Großbritannien) – 28. Juni 2016

Socialist Equality Party eröffnet - Kampagne zur Präsidentschaftswahl 2016
Unterstützt White und Niemuth!
29. April 2016

Unterstützt den Wahlkampf der PSG in Berlin!
Stimmt gegen Krieg und Militarismus!
23. April 2016

  • Geschichte

75 Jahre seit dem Nazi-Überfall auf die Sowjetunion
Von Barry Grey – 22. Juni 2016

  • Nachruf

David King 1943–2016: Revolutionärer Sozialist, Künstler und Kämpfer für die historische Wahrheit
Von David North – 17. Mai 2016

May Day 2016

  • Einleitung von David North, Chefredakteur der World Socialist Web Site und Vorsitzender der Socialist Equality Party in den USA

Mit der folgenden Rede leitete David North, der Chefredakteur der WSWS und Vorsitzende der Socialist Equality Party in den USA, am 1. Mai 2016 die internationale Online-Maiversammlung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale ein.

Leo Trotzki (1921)

Leo Trotzki (1921)

Genossen und Freunde,

ich möchte diese Versammlung und die derzeitigen Ereignisse in einen bestimmten historischen Zusammenhang stellen.

Vor 25 Jahren, unmittelbar nach dem ersten Golfkrieg vom Februar/März 1991, veröffentlichte das Internationale Komitee der Vierten Internationale einen Maiaufruf. Darin hieß es:

»Das Nachkriegsgleichgewicht des Imperialismus, das die politische Grundlage für die gewaltige weltweite Expansion des Kapitalismus abgegeben hat, ist zusammengebrochen. Es kann nicht auf friedlichem Wege wiederhergestellt werden, denn die Beziehungen zwischen den Bestandteilen des alten Gleichgewichts haben sich alle geändert. Es geht dabei nicht um die subjektiven Wünsche der individuellen Führer der bürgerlichen Staaten, sondern um die objektiven Folgen der ökonomischen und sozialen Widersprüche, die sich ihrer Kontrolle entziehen.

Im Zentrum der Instabilität des Weltimperialismus steht die Krise der Vereinigten Staaten. …

Vor dem Hintergrund der immer schlimmeren sozialen Krise und ihren potentiell revolutionären Folgen bildet das Streben des amerikanischen Imperialismus, seine Vormachtstellung in der Welt zurückzuerlangen, eines der explosivsten Elemente in der Weltpolitik … Die zunehmende Rücksichtslosigkeit und Kriegslüsternheit des amerikanischen Imperialismus stellt letztendlich einen Versuch dar, seinen wirtschaftlichen Verfall aufzuhalten und umzukehren durch den Einsatz militärischer Macht – dem einzigen Bereich, in dem die Vereinigten Staaten nach wie vor die unbestrittene Vormachtstellung innehaben.«

Mit dieser Analyse der tieferen historischen Bedeutung des Kriegs stand das Internationale Komitee im Gegensatz zur landläufigen Auffassung jener Zeit. Die Medien und selbstredend auch die akademischen Experten für internationale Beziehungen übernahmen damals unbesehen die Behauptungen der US-Regierung, dass der Einmarsch im Irak die rechtmäßige, notwendige Reaktion auf die Annexion Kuwaits sei, die Saddam Hussein im August 1990 völkerrechtswidrig vorgenommen habe.

Die objektiven Erfahrungen der vergangenen 25 Jahre haben die Analyse des Internationalen Komitees bestätigt. Der Einmarsch im Irak war der Auftakt zu einer ununterbrochenen Serie von Kriegen, die nunmehr seit 25 Jahren andauern. Dem ersten Krieg gegen den Irak folgten in den 1990ern die Invasionen der USA in Haiti und Somalia. Gegen den Sudan wurden Marschflugkörper in Stellung gebracht. Der Irak wurde unter verschiedenen Vorwänden bombardiert.

Die 1990er Jahre endeten mit einem Krieg gegen Serbien, in dem das kleine Land unter Führung der USA 78 Tage lang mit Bomben übersät wurde. Der Krieg wurde – mit dem nahezu einhelligen Einverständnis der grenzenlos leichtgläubigen Professorenschaft – als humanitäre Antwort auf »ethnische Säuberungen« gerechtfertigt. Als Serbien im Juni 1999 die von der NATO diktierten Bedingungen akzeptierte, war Jugoslawien endgültig in sieben hoch verschuldete Staaten aufgespalten, die vom amerikanischen und europäischen Imperialismus beherrscht wurden.

Heute ist klar, dass die militärischen Operationen der 1990er Jahre das erste Grollen waren, das den Ausbruch imperialistischer Gewalt nach den Ereignissen vom 11. September 2001 ankündigte. Der 15. Jahrestag des nicht enden wollenden »Kriegs gegen den Terror« rückt näher. Was ist die politische und moralische Bilanz der letzten 15 Jahre? Die Vereinigten Staaten haben Kriege geführt gegen den Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien und Jemen. Die Gesamtzahl der Toten und Verwundeten in diesen Ländern geht in die Millionen.

Die Führer des amerikanischen Imperialismus haben sich des Soziozid schuldig gemacht – der verbrecherischen Zerstörung ganzer Gesellschaften. Man fragt sich: Werden sich die Länder, die Opfer des US-Imperialismus wurden, jemals wieder erholen? In den letzten 15 Jahren haben Ausdrücke wie »Überstellung«, »Waterboarding«, »Drohnenangriffe« und »gezielte Tötung« Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden.

Im Weißen Haus, in dem einst Präsident Abraham Lincoln die Emanzipationserklärung verfasste, trifft sich der heutige Hausherr jede Woche mit seinen Beratern, um die »Kill-Liste« abzusprechen. Lincoln setzte damals seine Unterschrift unter ein Schriftstück, mit dem die Sklaverei abgeschafft wurde. Barack Obama unterzeichnet jede Woche Anordnungen zu außergerichtlichen Hinrichtungen, mit denen Recht und Gesetz abgeschafft werden. Die Ironie will es, dass sowohl Lincoln als auch Obama ausgebildete Juristen waren. Der Gegensatz ihrer Einstellungen zu den Grundsätzen der Verfassung und zum Wert des menschlichen Lebens widerspiegelt die historische Entwicklung des amerikanischen Staates von demokratischer Blüte zu imperialistischer Verkommenheit.

Das Vierteljahrhundert Krieg nahm die Form einer Reihe regionaler Interventionen im Nahen Osten, auf dem Balkan und in Zentralasien an. Die Strategen des US-Imperialismus bildeten sich ein, dass sie mit ihrer überwältigenden Militärmacht die »neue Weltordnung«, die der erste Präsident Bush 1991 ausgerufen hatte, problemlos herstellen könnten. Mit der Auflösung Sowjetunion war, so dachten sie, das einzige nennenswerte Hindernis für die unanfechtbare Hegemonie des US-Imperialismus verschwunden. »Gewalt funktioniert«, frohlockte das Wall Street Journal nach dem ersten Krieg im Persischen Golf.

Doch der Weg zur Weltherrschaft war mit unerwarteten Schwierigkeiten gepflastert. Die Invasionen in Afghanistan und dem Irak verliefen zwar zunächst militärisch erfolgreich, riefen aber zunehmenden Widerstand hervor. In beiden Ländern stecken die USA in einem Sumpf, aus dem sie nicht mehr herauskommen.

Doch ein Rückzug kommt für den amerikanischen Imperialismus nicht in Betracht. Starke objektive Kräfte und Interessen treiben die USA in immer größere und riskantere militärische Eskalationen. Der wichtigste Faktor ist die Wirtschaftskrise, die sich insbesondere seit dem Finanzcrash 2008 vertieft hat. Darüber hinaus hat sich die geopolitische Lage für die USA zusehends verschlechtert.

Das rasche Heranwachsen Chinas zu einer wirtschaftlichen und militärischen Macht stellt in den Augen der USA eine erhebliche Gefahr für ihre globale Vormachtstellung dar. Die Strategen in Washington sehen in China nicht nur eine direkte Bedrohung ihrer Vormachtstellung in der asiatisch-pazifischen Region. Sie fürchten auch, dass es China durch den Ausbau seiner wirtschaftlichen Beziehungen mit den langjährigen, aber unzuverlässigen Verbündeten der USA in Europa gelingen könnte, die wirtschaftlichen und militärischen Kräfteverhältnisse auf der Welt zu Ungunsten der USA zu verändern.

Der sogenannte »Pivot to Asia«, auf den unsere Genossen aus Sri Lanka und Australien noch eingehen werden, soll den zunehmenden Einfluss Chinas im asiatisch-pazifischen Raum zurückdrängen und, wenn nötig, China vom Zugang zu den Seewegen durch den Pazifik und den Indischen Ozean abschneiden, die für seine Wirtschaft lebensnotwendig sind. Dies ist der Grund für die wachsenden Spannungen im Südchinesischen Meer.

Allerdings reicht dieser »Pivot« nicht aus, um die globale Hegemonie Amerikas zu gewährleisten. Nach Ansicht eines bedeutenden Teils der Pentagon- und CIA-Strategen reicht die Kontrolle über den asiatisch-pazifischen Raum und den Indischen Ozean nicht aus, um China strategisch zu isolieren. Die USA müssen auch Eurasien dominieren, das in den Lehrbüchern der internationalen Geopolitik als »Weltinsel« bezeichnet wird. Dieses strategische Ziel ist der Hintergrund für die zunehmenden Konflikte zwischen den USA und Russland.

Die internationalen Beziehungen sind von Spannungen geprägt, die ebenso stark, wenn nicht noch stärker sind als am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in den späten 1930er Jahren. Alle großen imperialistischen Mächte –einschließlich Deutschland und Japan – rüsten auf und verstärken ihre militärische Präsenz. Es herrscht Einvernehmen darüber, dass bei einem Konflikt zwischen den USA, China und Russland auch Atomwaffen eingesetzt werden könnten. Es wäre ein schwerer Fehler, zu glauben, dass die politischen und militärischen Führer der imperialistischen Mächte oder ihre verängstigten Gegner in Peking und Moskau vor den verheerenden Folgen eines Atomkriegs zurückschrecken würden.

Ein imperialistischer Think-Tank warnte kürzlich: »Man darf nicht erwarten, dass sich Menschen rational verhalten, noch nicht einmal nach ihren eigenen Maßstäben.« Der Titel des betreffenden Dokuments lautet: »Armageddon neu denken: Szenario­planung im zweiten nuklearen Zeitalter.« Obwohl jeder weiß, dass alle großen Mächte genügend Atomwaffen besitzen, um sich gegenseitig mehrfach zu vernichten, schließen die Verfasser mit den Worten: »Das empfindliche Gleichgewicht des Schreckens, das durch die gegenseitige Abschreckung aufrechterhalten wird, ist womöglich fragiler, als allgemein angenommen.«[1]

Letztendlich ergibt sich die Kriegsgefahr aus zwei wesentlichen, zusammenhängenden Aspekten des kapitalistischen Wirtschaftssystems: erstens dem Privateigentum an den Produktionsmitteln in den Händen monopolistischer Konzerne und Finanzoligarchen, die maximale Profite anstreben, und zweitens den unvermeidbaren Konflikten, die sich aus der objektiven Verflechtung der globalen Wirtschaft einerseits und dem Fortbestand des Nationalstaatensystems andererseits ergeben.

Vor genau 100 Jahren, inmitten des Ersten Weltkriegs, verfasste Lenin seine Studie über den Imperialismus.

Im Gegensatz zu antimarxistischen Reformisten wie Karl Kautsky, der den imperialistischen Krieg rein subjektiv als Folge einer falschen Politik der herrschenden Elite auffasste, verstand Lenin, dass der Imperialismus ein objektives Entwicklungsstadium des Kapitalismus darstellte. »Der Imperialismus«, schrieb er, »ist die Epoche des Finanzkapitals und der Monopole, die überallhin den Drang nach Herrschaft und nicht nach Freiheit tragen.«[2] Die Tendenz zur Diktatur, erklärte Lenin, folgte unweigerlich aus der Verschärfung der imperialistischen Widersprüche. »Der Unterschied zwischen der republikanisch-demokratischen und der monarchistisch-reaktionären imperialistischen Bourgeoisie verwischt sich«, schrieb er. »Politische Reaktion auf der ganzen Linie ist eine Eigenschaft des Imperialismus. Korruption, Bestechung im Riesenausmaß, Panamaskandale jeder Art.«[3]

Lenin ließ es nicht bei dem Nachweis bewenden, dass der Krieg ein Ergebnis der objektiven Widersprüche des Imperialismus war. Er zeigte in seiner Analyse auch auf, dass dieselben Widersprüche, die imperialistische Kriege hervorbringen, auch die Arbeiterklasse radikalisieren und auf den Weg der sozialistischen Revolution treiben.

Aus dieser wissenschaftlichen Einsicht ergibt sich die wesentliche Strategie für den Kampf gegen Krieg. Die Antikriegspolitik der Arbeiterklasse basiert nicht auf den üblichen Kalkulationen der bürgerlichen Geopolitik, die von der Einschätzung des Kräfteverhältnisses zwischen Nationalstaaten ausgeht. Unser Ausgangspunkt ist die Bewertung des Kräfteverhältnisses zwischen Gesellschaftsklassen. Ein erfolgreicher Kampf gegen Krieg setzt die politische Mobilisierung der Arbeiterklasse voraus. Die Aufgabe der sozialistischen Bewegung besteht darin, die Arbeiterklasse aufzuklären und ihr politisches Bewusstsein anzuheben, damit sie dem Krieg den Krieg erklären kann.

Das Programm für einen solchen Kampf muss antikapitalistisch und sozialistisch sein. Krieg kann nicht verhindert werden, ohne das Wirtschaftssystem – den Kapitalismus – abzuschaffen, das ihn hervorbringt. Und schließlich muss der Kampf gegen Krieg auf internationaler Ebene geführt werden. Die Arbeiterklasse und Jugend aller Länder muss sich gegen kapitalistische Ausbeutung und imperialistischen Militarismus zusammenschließen.

Überall auf der Welt mehren sich die Anzeichen für eine antikapitalistische Radikalisierung der Arbeiterklasse und der Jugend. Am bedeutsamsten ist vielleicht, dass in den jüngsten Vorwahlen Millionen amerikanische Arbeiter für einen Kandidaten gestimmt haben, der sich als Sozialist bezeichnet. Natürlich ist der »Sozialismus« von Bernie Sanders kaum mehr als aufgewärmter Liberalismus. Aber der Grund dafür, dass Sanders Unterstützung gewinnt, liegt nicht in seinem Opportunismus, sondern darin, dass er von einer »politischen Revolution« spricht und sich die Arbeiter davon einen Aufstand gegen die soziale Ungleichheit erhoffen. Der grundlegende Mythos über die politische Sonderstellung Amerikas – dass sich die Arbeiterklasse dort niemals dem Sozialismus zuwenden wird – wurde in der Praxis widerlegt. In der Geschichte des amerikanischen Klassenkampfs wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Der Sozialismus, der in den USA so lange unterdrückt wurde, wird sich nun hier, im Zentrum des Weltimperialismus, in Windeseile ausbreiten.

Genau in diesem Moment, in dem sich die Widersprüche des global integrierten Kapitalismus extrem zuspitzen, versucht die Kapitalistenklasse mit aller Macht, einen wahnwitzigen Nationalismus zu schüren, um die Massen zur Unterstützung imperialistischer Kriege zu verführen. In den USA verspricht Trump, Amerika zu neuer Größe zu verhelfen, indem er eine Mauer um die USA zieht und ihre geballte militärische Macht gegen alle äußeren und inneren Feinde (besonders Einwanderer) einsetzt. Er glaubt, mit stärker befestigten Grenzen und größeren Bomben könne Amerikas Wirtschaft gesunden. Trumps Vision von einer »Festung Amerika« läuft in Wirklichkeit auf einen dystopischen Alptraum hinaus, der nur durch Diktatur und Krieg verwirklicht werden kann.

Der »Trumpismus« ist beileibe kein isoliertes, auf Amerika beschränktes Phänomen. Das Wiederaufleben von Nationalismus kennzeichnet die kapitalistische Politik auf der ganzen Welt. Der Aufstieg der UKIP und die Brexit-Kampagne im Vereinigten Königreich, die Wahlerfolge von Marine Le Pen in Frankreich, der Sieg der ultrachauvinistischen Freiheitlichen in der ersten Runde der Präsidentenwahl in Österreich – all das ist Ausdruck des vergeblichen Versuchs, den Widersprüchen des globalisierten Kapitalismus zu entrinnen. Aber einen solchen Ausweg gibt es nicht. Der Nationalismus bietet in keinem Land eine fortschrittliche Alternative zu Imperialismus und kapitalistischer Unterdrückung.

Die Erfahrungen des vergangenen Vierteljahrhunderts genügen, um die Folgen des Nationalismus zu erkennen. Betrachten wir das Schicksal der Nationen, die aus der Auflösung Jugoslawiens hervorgingen. Die Arbeitslosenquote unter mazedonischen Jugendlichen liegt bei 50 %. In Slowenien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 24 %. In Kroatien haben 44 % aller Jugendlichen keinen Arbeitsplatz. In Montenegro beträgt die Jugendarbeitslosigkeit 41 %. In Bosnien liegt die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen bei mehr als 57 %. In Serbien sind 49,5 % der Jugendlichen arbeitslos. Im Kosovo liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 60 %!

Abgesehen von diesen katastrophalen Folgen gab die reaktionäre Politik des nationalen Separatismus den USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich die Möglichkeit an die Hand, nationale, ethnische und religiöse Spaltungen ausnutzen, um imperialistische Interventionen zu rechtfertigen – wie in Syrien und Libyen.

Die einzige Lösung für die Krise des Weltkapitalismus liegt in der politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse aller Kontinente und Länder in einem international vereinten Kampf gegen den Imperialismus.

Die üble nationale Unterdrückung, die der Imperialismus ständig erzeugt, kann nur durch den Zusammenschluss aller Teile der Arbeiterklasse beseitigt werden. Die historische Aufgabe der Arbeiterklasse ist nicht die Errichtung neuer Nationalstaaten, die aus den faulenden Leichnamen alter nationaler Unterfangen herausgerissen werden, sondern die Schaffung einer vereinten und integrierten Weltföderation sozialistischer Republiken. Die einzig tragfähige Perspektive ist diejenige, die Trotzki in seiner Theorie der permanenten Revolution entworfen hat:

»Der Abschluss einer sozialistischen Revolution ist im nationalen Rahmen undenkbar. Eine grundlegende Ursache für die Krisis der bürgerlichen Gesellschaft besteht darin, dass die von dieser Gesellschaft geschaffenen Produktivkräfte sich mit dem Rahmen des nationalen Staates nicht vertragen. Daraus ergeben sich einerseits die imperialistischen Kriege, andererseits die Utopie der bürgerlichen Vereinigten Staaten von Europa. Die sozialistische Revolution beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird vollendet in der Weltarena. Folglich wird die sozialistische Revolution in einem neuen, breiteren Sinne des Wortes zu einer permanenten Revolution: Sie findet ihren Abschluss nicht vor dem endgültigen Siege der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten.«[4]

Mit unserer heutigen Veranstaltung rufen wir klar und eindeutig dazu auf, eine internationale Massenbewegung von Arbeitern und Jugendlichen gegen Krieg aufzubauen. Diese dringende Aufgabe ist untrennbar mit dem Aufbau der Vierten Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution verbunden. Wir bitten euch, den Rednern genau zuzuhören und, wenn ihr mit unserem Programm übereinstimmt, der Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in eurem Land beizutreten oder, wenn es noch keine solche Partei gibt, selbst für den Aufbau einer neuen Sektion der trotzkistischen Weltbewegung zu kämpfen und euch bewusst dem Kampf für den Sozialismus anzuschließen, denn von ihm hängt die Zukunft der Menschheit ab.

Anmerkungen

1 Andrew F. Krepinevich und Jacob Kohn, Rethinking Armageddon: Scenario Planning in the Second Nuclear Age (Center for Strategic and Budgetary Assessments, 2016), S. 14–15.

2 Wladimir Iljitsch Lenin, Werke Bd. 22, Berlin/DDR 1960, S. 119.

3 Wladimir Iljitsch Lenin, Werke Bd. 23, Berlin/DDR 1960.

4 Leo Trotzki, Die permanente Revolution, Arbeiterpresse Verlag, Essen 1993, S. 185 f.

Die politischen Aufgaben der arbeitenden Bevölkerung auf dem indischen Subkontinent

  • Von Wije Dias – Generalsekretär der Socialist Equality Party (Sri Lanka)

Die arbeitende Bevölkerung auf dem indischen Subkontinent muss an der Seite ihrer Klassengenossen in aller Welt eine ­führende Rolle im Kampf gegen imperialistischen Krieg ­übernehmen.

Die Ereignisse zum 11. September 2001 wurden nie aufgeklärt, aber die USA nahmen sie zum Vorwand, Afghanistan zu überfallen. Seither sind Südasien und der Indische Ozean immer tiefer in den Strudel der Geopolitik und in den Kampf zwischen den globalen Großmächten hineingezogen worden.

Für die Strategen des US-Imperialismus ist Südasien die verwundbare Stelle Eurasiens. Es spielt eine wichtige Rolle für die Ausübung seiner Macht vom ölreichen Nahen Osten und Zentralasien über den Himalaja hinweg bis nach China.

Für die Kriegsplaner im Pentagon ist die Vorherrschaft im Indischen Ozean für die amerikanische Beherrschung der Welt von entscheidender Bedeutung. Diese Region hat laut einer Studie des US-Naval War College den Nordatlantik als zentrale Arterie des Welthandels abgelöst. Sie hat diese Bedeutung, weil die USA im Falle eines Krieges oder eines drohenden Krieges an strategischen Engstellen eine Wirtschaftsblockade gegen China verhängen wollen. Außerdem ist der Indische Ozean wichtig für militärische Operationen der USA im Nahen Osten und in Ostafrika.

Washingtons Machtpolitik und die Ausdehnung seiner militärisch-strategischen Rolle in der Region sind inzwischen ein wesentlicher Faktor für die Innenpolitik eines jeden Landes in Südasien. Sie beeinflusst ihre Klassendynamik – von den winzigen Malediven bis hin zu den Atommächten Indien und Pakistan.

Afghanistan ist schon seit fünfzehn Jahren von den USA besetzt.

In Pakistan hat die Washingtoner Regierung das Militär ermutigt, die zivile Regierung des Landes an den Rand zu drängen. Das pakistanische Militär führt Krieg in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan. Es hält die wichtigste Stadt, Karatschi, besetzt und führt im Pandschab, der bevölkerungsreichsten Provinz des Landes, Militärmanöver durch.

Letztes Jahr sorgte Washington dafür, dass der srilankische Präsident Mahinda Rajapakse in die Wüste geschickt wurde. Die USA zogen die Fäden, als ein führender Minister des Rajapakse-Regimes, Maithripala Sirisena, aus der Regierung austrat und sich dann als gemeinsamer Oppositionskandidat für das Präsidentenamt aufstellen ließ. Die USA hatten Rajapakse noch voll unterstützt, als er Krieg gegen die tamilische Minderheit führte, aber sie wollten nicht hinnehmen, dass er zwischen Washington und Peking zu balancieren versuchte. Innerhalb weniger Monate nach Rajapakses Sturz besuchte US-Außenminister Kerry Sri Lanka. Kurz zuvor hatte Colombo einem amerikanisch-srilankischen Partnerschaftsdialog zugestimmt. Es war der erste Besuch eines amerikanischen Außenministers in Sri Lanka überhaupt.

Aber der Dreh- und Angelpunkt für die amerikanischen Bemühungen, Südasien für seinen Kampf um die Weltherrschaft einzuspannen, ist Indien. Nach allen Maßstäben ist Indien ein armes Land. Dreiviertel der Bevölkerung fristen ihr Dasein mit weniger als zwei Dollar am Tag. Aber für Washington ist es ein »strategisch wichtiges Land«.

Der Chef des US Pacific Command, Admiral Harris, zeigte sich jüngst »begeistert über die Möglichkeiten, die eine strategische Partnerschaft« zwischen Indien dem US-Imperialismus bietet. Er schlug gemeinsame amerikanisch-indische Patrouillen im Südchinesischen Meer vor.

In der indischen Bourgeoisie hat Washington einen willfährigen Komplizen gefunden. Die korrupte indische Bourgeoisie hofft, dass es ihren eigenen Großmachtambitionen nützt, wenn sie den USA als Statthalter dient.

In Indien regiert seit zwei Jahren die Regierung von Narendra Modi, dessen BJP für die Vorherrschaft der Hindus eintritt. Modis Regierung macht Indien zum Frontstaat in den amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen China. Sie plappert die Lügen Washingtons nach, dass China im Südchinesischen Meer der Aggressor sei. Sie hat auch begonnen, gemeinsam mit dem Pentagon neue Waffensysteme zu entwickeln, und vertieft die dreiseitigen Beziehungen mit Japan und Australien, den wichtigsten Verbündeten der USA in der indopazifischen Region.

Vergangenen Monat hat die BJP-Regierung erklärt, sie sei »im Prinzip einverstanden« mit einem neuen Abkommen mit Washington, das Indiens Militärstützpunkte und -häfen für amerikanische Flugzeuge und Schiffe öffnen wird, damit sie dort zwischenlanden, auftanken und sich neu bewaffnen können.

In Südasien und auf der ganzen Welt geht der US-Imperialismus extrem rücksichtslos vor. Er gießt in einer Region Öl ins Feuer, die heute schon nach Ethnien, Volksgruppen und Kasten gespalten ist, ein Erbe der Kolonialherrschaft und der blutigen Teilung von 1947. Damals spalteten die rivalisierenden Flügel der aufstrebenden nationalen Bourgeoisie den Subkontinent in ein muslimisches Pakistan und ein hinduistisches Indien auf.

Die Schützenhilfe aus Washington bestärkt Modi in seiner aggressiven Behauptung, Indien sei der regionale Hegemon. Seit fünf Monaten hält er eine Blockade gegen Nepal aufrecht, die Malediven hat er zur Erklärung genötigt, Indien sei ihr »wichtigster Freund«, und das indische Militär weist er an, Pakistan für angebliche Grenzverletzungen bezahlen zu lassen, was hohe Verluste zur Folge hat.

Was Pakistan angeht, so hat es wiederholt vor den Folgen der großzügigen Bewaffnung Indiens durch die USA gewarnt, weil diese Waffensysteme die Region aus dem Gleichgewicht bringen. Weil Washington diese Warnungen bedenkenlos missachtet, macht Islamabad jetzt taktische Atomwaffen gefechtsbereit.

In Südasien, wie auf der ganzen Welt, sind die Massen gegen Krieg eingestellt, aber eine Antikriegsbewegung gibt es nicht.

In Sri Lanka haben die Pseudolinken die Regime-Change-Operationen der USA unterstützt und die Lüge verbreitet, Sirisena sei ein Kandidat der Demokratie. Dabei war Sirisena noch bis kurz vor der Präsidentschaftswahl ein getreuer Anhänger Rajapakses.

Die wichtigste Rolle bei der Unterdrückung der rasch wachsenden indischen Arbeiterklasse spielen die indischen Stalinisten. In den letzten 25 Jahren haben die Kommunistische Partei und ihre Linksfront eine Reihe von Regierungsinitiativen unterstützt, um Indien in einen Billiglohnpool für das Weltkapital zu verwandeln und das Land zum »strategischen Partner« Washingtons zu machen.

Heute benutzen die Stalinisten die Verbrechen der BJP, die Kommunalismus schürt und für das Militärabkommen mit den USA wirbt, als Ausrede, um die Arbeiterklasse der indischen Bourgeoisie und dem indischen Staat noch vollständiger unterzuordnen. Sie befürworten eine noch engere Allianz mit der Kongresspartei – das heißt, mit der traditionellen Regierungspartei der indischen Bourgeoisie. Die Kongresspartei hat sich im letzten Vierteljahrhundert am stärksten für die investorenfreundliche Umstrukturierung Indiens eingesetzt und die indisch-amerikanische Allianz geschmiedet.

Die gesamte Geschichte Südasiens der letzten hundert Jahre beweist den durch und durch reaktionären Charakter all dieser Bündnisse mit den angeblich progressiven oder demokratischen Fraktionen der Bourgeoisie. Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, dass die Arbeiterklasse das Programm der permanenten Revolution annimmt. Imperialistische Unterdrückung, chronische Armut, Diskriminierung nach Kasten und Volkszugehörigkeit – nicht eines dieser brennenden Probleme der Massen kann gelöst werden, solange die Arbeiterklasse nicht die sozialistische Revolution anführt.

Die soziale Opposition nimmt zu. Eine führende indische Zeitung war letzte Woche hell alarmiert, als plötzlich Massenproteste der schlechtbezahlten Näherinnen in Bangalore ausbrachen. Der Kommentator war besonders schockiert und beunruhigt, weil dieser militante Protest außerhalb der existierenden Gewerkschaften und politischen Strukturen entstand.

Die entscheidende Frage besteht jetzt darin, die aufkeimende Arbeiterrebellion auf der ganzen Welt mit einem Programm und einer Perspektive zu bewaffnen, die ihre objektiven Interessen als globale Klasse artikuliert, als Protagonist einer neuen Gesellschaftsordnung, frei von Not und Krieg.

An diesem Ersten Mai fordere ich Arbeiter und Jugendliche in ganz Süd-Asien und auf der ganzen Welt auf, mit uns gemeinsam diese große Aufgabe anzupacken.

Kriegsverherrlichung und Kriegsvorbereitung

  • Von Cheryl Crisp, stellvertretende Nationale Sekretärin der Socialist Equality Party (Australien)

Im Jahr 1938, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, warnte Leo Trotzki die internationale Arbeiterklasse im Übergangsprogramm, dem Gründungsdokument der Vierten Internationale:

»Der imperialistische Krieg ist die Fortsetzung und Verschärfung der Raubpolitik der Bourgeoisie; der Kampf des Proletariats gegen den Krieg ist die Fortsetzung und Verschärfung seines Klassenkampfes. Der Ausbruch des Krieges verändert die Lage und teilweise die Methoden des Kampfes zwischen den Klassen, nicht aber sein Ziele und seine Grundrichtung. Die imperialistische Bourgeoisie beherrscht die Welt. Deshalb wird der nächste Krieg seinem Grundcharakter nach ein imperialistischer Krieg sein. Der wesentliche Inhalt der Politik des internationalen Proletariats wird somit der Kampf gegen den Imperialismus und seinen Krieg sein.«[1]

Dann verwies Trotzki auf den wichtigsten Grundsatz von Sozialisten in Kriegszeiten: »Der Hauptfeind steht im eigenen Land.« Damit war gemeint, dass die Feinde der Arbeiterklasse nicht andere Arbeiter, sondern die einheimische herrschende Klasse und die bürgerliche Regierung sind.

Trotzki betonte diesen Punkt, um die giftigen Schwaden des Nationalismus und des Chauvinismus zu vertreiben, die alle Regierungen verbreiteten. Seine Worte finden in der heutigen gefährlichen Lage, in der die imperialistische Kriegstreiberei mit beängstigender Geschwindigkeit voranschreitet, einen starken Widerhall. Es gibt deutliche Parallelen zwischen 1938 und heute.

In dieser Woche wurde die Bevölkerung von Australien und Neuseeland mit militaristischer Propaganda und Hurrapatriotismus überflutet. Der Anlass war der ANZAC Day – der Feiertag, der an die Schlacht um die türkische Halbinsel Gallipoli im Ersten Weltkrieg 1915 erinnert.

Die australische Regierung gibt 325 Millionen Dollar, mehr als jedes andere Land, für ein vierjähriges Gedenken an den Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren aus. Diese Kampagne zielt insbesondere auf junge Leute ab, sogar auf Kinder im Vorschulalter. Man verbreitet Geschichtsfälschungen über die ruhmreiche Aufopferung für das Vaterland. Alle politischen Parteien, einschließlich der selbsternannten Pazifisten von den Grünen, unterstützen diese Kampagne.

Es steht außer Zweifel, mit der Verherrlichung vergangener und gegenwärtiger Kriege versucht das politische Establishment, die nächste Generation auf zukünftige Konflikte einzustimmen. Die Kriegsverherrlichung fällt mit der umfassenden Unterstützung des australischen Imperialismus für die amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen China zusammen.

Gleichzeitig hat die australische Regierung die Rolle des Vorreiters beim Aufbau rassistischer und illegaler Auffanglager übernommen. Es sind moderne Konzentrationslager, in denen Flüchtlinge aller Rechte beraubt und für Jahre unter unerträglichen Bedingungen auf abgelegenen Pazifikinseln eingesperrt werden. Dieses brutale Modellwird nun von den europäischen Regierungen übernommen und gegen Hunderttausende verzweifelte Flüchtlinge eingesetzt, die vor den Kriegen in Syrien, im Irak und in Afghanistan fliehen.

In Japan hat die Abe-Regierung, die rechteste Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg, Gesetze erlassen, die den Einsatz des japanischen Militärs an der Seite des amerikanischen erlauben. Sie wurden von einer Kampagne begleitet, die Verbrechen des japanischen Imperialismus zu relativieren. In den Schulen wurden neue Lehrbücher eingeführt, die die Gräueltaten des japanischen Militärs in den 1930er Jahren und im Verlauf des Zweiten Weltkriegs verharmlosen.

Da die japanische Bevölkerung in Hiroshima und Nagasaki als einzige die Schrecken des Atomkriegs am eigenen Leib erfahren hat, ist sich das japanische Regime ihrer Opposition gegen die Kriegsvorbereitungen äußerst bewusst. Sie versucht, diese Anti-Kriegs-Stimmung zu unterdrücken, indem sie China verteufelt und als militärische Bedrohung für Japan darstellt.

In China selbst reagiert das Regime der Kommunistischen Partei auf die verschärften Provokationen der USA und ihrer Verbündeten mit dem Schüren von chinesischem Nationalismus. Das nimmt die Form von bösartigem antijapanischem Chauvinismus an. Die Verbreitung von Rassismus durch das Regime in Peking hat zu tätlichen Angriffen auf japanische Staatsbürger geführt. Die Regierung hat Demonstrationen gegen Japans Anspruch auf die umstrittenen Senkaku-Inseln ermutigt. Demonstranten zeigten dort Plakate mit einem Atompilz über Japan. Ein derartiger reaktionärer Nationalismus dient ausschließlich dazu, die Arbeiterklasse Asiens zu spalten. Er spielt dem Imperialismus in die Hände.

Das wirkliche Interesse des chinesischen Regimes liegt in der Verteidigung des Reichtums der eigenen kapitalistischen Elite, und das nicht nur gegen die USA, sondern gegen die chinesische Arbeiterklasse – die gesellschaftliche Kraft, die das Regime mehr als alles andere fürchtet. China gehört heute zu den Ländern, in denen die Ungleichheit am stärksten ausgeprägt ist. Es gibt dort 470 Dollar-Milliardäre. Das sind mehr als in jedem anderen Land außer den USA. Ihnen stehen 500 Millionen chinesische Arbeiter und arme Dorfbewohner gegenüber, die ihre Existenz auf der Grundlage von 3 Dollar oder weniger pro Tag fristen. Ähnlich sieht es in allen asiatischen Ländern aus.

Wie Trotzki im Jahr 1938 erklärte, fällt der Krieg nach außen mit dem Krieg gegen die Arbeiterklasse im Innern zusammen. Jahrelange Angriffe auf die Arbeitsbedingungen in allen Ländern haben die soziale Ungleichheit in einem Ausmaß vertieft, wie seit fast einem Jahrhundert nicht mehr. Unter diesem System gibt es für die Menschheit keine Zukunft.

Man kann Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nur durch den Kampf für die internationale Einheit der Arbeiterklasse Widerstand leisten. Arbeiter sind in jedem Land mit den gleichen Angriffen konfrontiert, geführt von den gleichen Banken und transnationalen Großunternehmen. Und die Gefahr eines Krieges bedroht jeden von uns. Die Massen in Amerika und Asien, einschließlich der Arbeiter und Jugendlichen in Australien und Neuseeland, müssen ihren chinesischen Kolleginnen und Kollegen die Hand reichen und dürfen sich nicht einreden lassen, dass sie Feinde seien.

Wir müssen uns zu einem gemeinsamen Kampf zum Sturz des Kapitalismus, der Ursache von Krieg, zusammenschließen. Ich rufe euch, unsere Zuhörer und Unterstützer, eindringlich dazu auf, teilzunehmen am Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung der Arbeiterklasse und der Jugend auf der Grundlage des Kampfes für den Weltsozialismus.

Anmerkungen

1 Leo Trotzki, Das Übergangsprogramm, Arbeiterpresse Verlag, 1997, S. 106 f.

Tretet den Kriegsvorbereitungen im Pazifik entgegen

  • Von James Cogan, Nationaler Sekretär der Socialist Equality Party (Australien)

Genossen und Freunde, der diesjährige 1. Mai ist von geopolitischen Spannungen geprägt, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gab. Der »Pivot«, d. h. die Hinwendung des US-Imperialismus nach Asien, sein diplomatisches und militärisches Vorgehen gegen China, ist dafür verantwortlich. Jedes Land in der Region ­bereitet sich auf Krieg vor.

USS Carl Vinson im Pazifik

USS Carl Vinson im Pazifik

In Korea leben die Arbeiter bereits unter dem bedrohlichen Schatten eines verheerenden Konflikts, der jeden Tag ausbrechen kann. In Südkorea hat sich die herrschende Klasse hinter die Pläne der USA gestellt, »vorbeugende« Militärschläge gegen das mit Atombomben bewaffnete Nordkorea zu führen und die politische und militärische Führungsschicht des Landes zu »enthaupten«, das heißt zu ermorden, um die strategische Stellung Chinas und Russlands zu schwächen.

Im Südchinesischen Meer hat die U. S. Navy in den letzten acht Monaten zweimal die 12-Meilen-Zone um Inseln und Atolle, die von China beansprucht werden, verletzt und damit China zu einer militärischen Reaktion provoziert.

Das Weiße Haus rechtfertigt diese Operationen mit der Lüge, es verteidige die »Freiheit der Schifffahrt« und eine »auf Regeln basierende Weltordnung«. Doch der amerikanische Imperialismus selbst erkennt weder Recht noch Gesetz an, wenn sie nicht den Banken und Konzernen der Wall Street dienen. Ihm geht es nicht um »Freiheit«, sondern um Weltherrschaft und die Unterwerfung des Regimes in Peking unter seine wirtschaftlichen und strategischen Ziele.

Die amerikanische herrschende Elite betrachtet China als wichtigste Bedrohung ihrer weltweiten Vorherrschaft und bereitet sich darauf vor, Peking in die Knie zu zwingen, wenn nötig mit Gewalt.

Allein in den letzten Tagen haben mehrere amerikanische Senatoren die Obama-Regierung mit Nachdruck aufgefordert, jede Woche militärische Provokationen im Südchinesischen Meer anzuordnen.

Die Spannungen in der Region werden in den kommenden Monaten weiter zunehmen. Der Schiedsgerichtshof der Vereinten Nationen wird demnächst über die Anfechtung chinesischer Gebietsansprüche durch die Philippinen entscheiden, die von den USA unterstützt werden. Strategische Thinktanks und Kommentare in den Medien geben offen zu, dass die Entscheidung explosive Reaktionen in Peking auslösen könnte.

Die herrschenden Klassen der Philippinen, Vietnams, Singapurs, Malaysias, Indonesiens und Taiwans haben sich alle hinter den US-Imperialismus gestellt und werden deshalb in jeden Konflikt mit hineingezogen.

In der Konfrontation mit China stützen sich die Vereinigten Staaten vor allem auf ihre beiden wichtigsten imperialistischen Verbündeten in Asien: auf Japan und Australien.

Die nationalistische Regierung von Premierminister Shinzo Abe hat den Konflikt mit China über umstrittene Territorien angeheizt und Gesetze zur »kollektiven Selbstverteidigung« erlassen, mit denen sie die japanische Verfassung umgehen kann, die es verbietet, Kriege zu führen. Im Jahr 2015 ließ das japanische Militär 571 Mal Kampfflugzeuge gegen chinesische und 288 Mal gegen russische Flugzeuge aufsteigen. Angeblich hatten sie sich Gebieten genähert, die von Japan beansprucht werden. Das aggressive Vorgehen auf allen Seiten könnte leicht einen Zwischenfall auslösen, der zu einem offenen Krieg führt.

Die australische herrschende Klasse hat Nord- und Westaustralien als Operationsbasis für amerikanische Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe geöffnet und ihre eigenen Streitkräfte vollständig in das amerikanische Militär integriert. Sie kalkuliert egoistisch, das Bündnis mit den USA sei das beste Mittel zur Sicherung ihrer eigenen imperialistischen Interessen im Südpazifik, am Südpol und weltweit.

Ebenso hat Neuseeland, eine kleinere imperialistische Macht, seine Abschottungshaltung der 1980er Jahre aufgegeben und sich mit Washington und Canberra verbündet.

Das IKVI und seine Sektionen kämpfen dafür, die Arbeiterklasse gegen das imperialistische Kriegstreiben gegen China zu mobilisieren. Wir unterstützen jedoch nicht das Regime der Chinesischen Kommunistischen Partei. Deren Antwort auf den von den USA angeführten Militarismus ist reaktionär und führt dazu, dass sich die Gefahr eines Konflikts weiter verschärft. Die KP vertritt nicht die Interessen der chinesischen Arbeiterklasse und der Unterdrückten. Sie vertritt die korrupte chinesische Oligarchie, die sich im Zuge der Restauration des Kapitalismus durch Mao Tsetung und seine politischen Erben seit den 1970er Jahren entwickelt hat.

Das Regime in Peking herrscht über extreme soziale Ungleichheit und Ausbeutung. Es verteidigt die kapitalistische Elite Chinas mit militärischen Aktionen und indem es antijapanischen und antiamerikanischen Chauvinismus schürt.

Letzten Monat bestätigte das chinesische Militär, dass es eine neue Interkontinentalrakete, die DF-41, in Stellung gebracht hat. Die Rakete ist in der Lage, sechs bis zehn Atomsprengköpfe 12.000 Kilometern weit zu tragen. Damit kann sie praktisch das gesamte amerikanische Festland erreichen.

Der einzige Zweck, den eine solche Waffe erfüllt, besteht darin, im Kriegsfall einen Massenmord an Millionen amerikanischen Zivilisten zu verüben. Umgekehrt erfüllt das amerikanische Atomwaffen-Arsenal ausschließlich den Zweck, China, Russland oder einen anderen Rivalen zu zerstören und Dutzende Millionen Menschen abzuschlachten.

Wir lehnen die beschwichtigende Behauptung von pazifistischen und pseudo­linken Verteidigern des Kapitalismus ab, die Existenz solcher Waffen halte den amerikanischen Imperialismus und die chinesische und russische Bourgeoisie »vom Äußersten« ab.

Die herrschende Klasse aller Länder muss entwaffnet werden. Dazu ist als einzige gesellschaftliche Kraft die internationale Arbeiterklasse in der Lage, die sich auf die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution stützt.

In jedem Land rechtfertigen bürgerliche Politiker und Journalisten den Militarismus mit Phrasen über »nationale Interessen« und »nationale Souveränität«. Hunderte Millionen Arbeiter und Jugendliche dagegen wünschen sich nichts als Frieden und eine Zukunft für die nächste Generation.

Die Interessen der Kapitalistenklasse sind denen der Arbeiterklasse diametral entgegengesetzt. Um die Katastrophe eines Dritten Weltkriegs zu verhindern, müssen der Kapitalismus und das System der Nationalstaaten abgeschafft und die Weltwirtschaft auf sozialistischer Grundlage neu organisiert werden.

Die Socialist Equality Party in Australien und die Socialist Equality Group in Neuseeland freuen sich auf die Zusammenarbeit mit politischen Gruppen im gesamten asiatisch-pazifischen Raum (China, Japan, Korea, Südostasien und pazifische Inselstaaten), die sich dem historischen Kampf für eine internationale Antikriegsbewegung anschließen möchten, die auf den vom IKVI erarbeiteten sozialistischen und internationalistischen Grundsätzen beruht.

Der Konflikt zwischen den USA und China und die politische Krise in Lateinamerika

  • Von Bill Van Auken, WSWS-Redakteur für Lateinamerika

Die Maikundgebung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale verfolgt aufmerksam die wachsende revolutionäre Krise in Lateinamerika. Diese Region mit beinahe 630 Millionen Einwohnern entwickelt sich zum Schauplatz explosiver Klassenkämpfe und zu einem weiteren Schlachtfeld, auf dem der US-Imperialismus versucht, seine globale Vorherrschaft in der Konfrontation mit wirklichen und möglichen Rivalen zu errichten.

Lateinamerika entging den Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkrieges, doch in einem Dritten Weltkrieg, bei dem unausweichlich auch Atomwaffen zum Einsatz kämen, wäre das sicher nicht der Fall.

Der US-Imperialismus hat die Region lange Zeit verächtlich als seinen »Hinterhof« bezeichnet. Doch inzwischen machen ihm seine globalen Rivalen, insbesondere China, seine Vorherrschaft streitig. Der Handel zwischen China und Lateinamerika ist in den vergangenen 15 Jahren um rund 2.000 Prozent gewachsen.

Anvisiert sind große Projekte mit chinesischer Finanzierung: Ein Nicaragua-Kanal, der den Panama-Kanal in den Schatten stellen würde, und der Bau einer Eisenbahnstrecke zwischen Brasilien und Peru, die die Ozeane verbindet. Diese Projekte würden auch die Wirtschaft Lateinamerikas stärker an den Geldgeber China binden.

Strategen im Pentagon warnen, dass die wachsenden Wirtschaftsbeziehungen Chinas in der Region den US-amerikanischen Einfluss untergraben. Sie empfehlen daher, die »Hinwendung zu Asien« der Obama Regierung durch eine »Hinwendung zu Lateinamerika« zu ergänzen, um die imperialistische Vorherrschaft der Vereinigten Staaten zu sichern.

Ein führender US-Militärstratege hat dies in der unverblümten Sprache des Krieges formuliert: »Betrachtet man die Angelegenheit mittels einer militärischen Analogie, dann ist Lateinamerika die unbesetzte Anhöhe, von der aus man die Stellung der Vereinigten Staaten überblickt. Ein verantwortlicher Kommandeur würde erkennen, dass die Einnahme dieser Anhöhe durch einen Gegner eine nicht hinnehmbare Bedrohung seiner Streitmacht bedeutet. Daher würde er Kräfte abstellen, um den Gegner daran zu hindern.«

Vor etwa zweieinhalb Jahren erklärte US-Außenminister John Kerry vor einem Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten, die Ära der Monroe-Doktrin sei vorbei. Mit diesem 200 Jahre alten Grundpfeiler der US-Außenpolitik maßten sich die Vereinigtem Staaten das Recht an, andere Mächte mit Gewalt daran zu hindern, in der westlichen Hemisphäre Fuß zu fassen.

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden mit dieser Doktrin rund 50 Militärinterventionen der USA sowie die Unterstützung von Militärputschen gerechtfertigt, die in weiten Teilen der Region brutale Diktaturen an die Macht brachten.

Trotz Kerrys Erklärung ist offensichtlich eine neue, schärfere Form der Monroe-Doktrin in Vorbereitung, um eine explosive Zunahme des Militarismus zu rechtfertigen, die sich nicht nur gegen China, sondern auch gegen die lateinamerikanischen Massen richtet und das Ziel verfolgt, die Vorherrschaft der USA über die westliche Hemisphäre und ihre strategischen Märkte und Ressourcen zu behaupten.

Washington nutzt zu diesem Zweck entschlossen die ökonomische und politische Krise, welche die Region vor allem aufgrund des Zusammenbruchs des Rohstoffbooms und der Krise der aufstrebenden Märkte erfasst hat.

Brasilien, die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas, erlebt derzeit die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression der 1930er Jahre mit einem Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen pro Monat und einer Inflation, die den Lebensstandard der Arbeiterklasse untergräbt. Die vom Ölexport abhängige venezolanische Wirtschaft wird in diesem Jahr um voraussichtlich acht Prozent schrumpfen und die Inflation auf 700 Prozent steigen.

Die Krise untergräbt eine Regierung nach der nächsten, die im Rahmen des sogenannten lateinamerikanischen »Linksrucks« an die Macht gelangt ist – von den Peronisten unter Cristina Fernandez in Argentinien, über die brasilianische Arbeiterpartei, die nun ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff erlebt, bis hin zu Nicolas Maduro in Venezuela, dem die Abberufung droht, und Evo Morales in Bolivien, dem ein Volksreferendum eine weitere Amtszeit verwehrt hat.

Bei allen handelt es sich um bürgerliche Regierungen, die die kapitalistischen Eigentumsbeziehungen verteidigt haben. Sie wurden an die Macht gebracht, um die kapitalistische Herrschaft zu stabilisieren. Sie führten minimale soziale Verbesserungen ein, um die Klassenspannungen zu mindern, und nutzten dabei steigende Rohstoffpreise und den Handel mit China, um eine gewisse Unabhängigkeit von Washington zu erlangen. Die Wirtschaftskrise und die zunehmenden Attacken der politischen Rechten haben diese Regierungen selbst nach rechts getrieben. Sie greifen die Arbeiter an und setzen Sparmaßnahmen im Interesse des Kapitals durch.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale und seine Unterstützer in der Socialist Equality Party der Vereinigten Staaten beziehen klar Stellung gegen jedes Manöver und jede Intervention des US-Imperialismus in der Region. Die Vereinigten Staaten wollen die Krise in Lateinamerika ausnutzen, um ihre imperialistische Vorherrschaft zu behaupten.

Gleichzeitig besteht unsere Bewegung darauf, dass die Angriffe von Seiten des Imperialismus wie auch von Seiten der einheimischen Bourgeoisie nur durch eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse in ganz Amerika zurückgeschlagen werden können. Die Arbeiterklasse muss sich dabei auf ein revolutionäres sozialistisches und internationalistisches Programm stützen.

Diejenigen, die bürgerliche und kleinbürgerliche nationalistische Bewegungen in Lateinamerika – vom Castro-Regime, das nun das US-Kapital zurück nach Kuba holt, über die brasilianische Arbeiterpartei, einen vollkommen korrupten und bürgerlichen Apparat, bis hin zum Chavismus – als Ersatz für den Aufbau revolutionärer marxistischer Parteien in der Arbeiterklasse anpreisen, sind mitverantwortlich für die politische Entwaffnung von Arbeitern und Jugendlichen angesichts der gegenwärtigen Krise. Das gilt insbesondere für die pablistischen Revisionisten, die in den 1960er Jahren mit der trotzkistischen Bewegung brachen, einschließlich der Morenisten.

Was in ganz Amerika gegen die Arbeiter vorbereitet wird, zeigt sich auf blutige Weise in Mexiko, dem Land, das dem US-Imperialismus geografisch und wirtschaftlich am nächsten ist. Trotz der anhaltenden Vertuschung des brutalen Massakers an 43 Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa zeigt sich, wie sehr alle Ebenen des Staates und des herrschenden Establishments in dieses historische Verbrechen verwickelt sind. Mittlerweile fordert auch die Privatisierung des staatlichen Erdölkonzerns PEMEX menschliche Opfer. Im vergangenen Monat sind mindestens 32 Arbeiter in einer privatisierten Anlage des Konzerns bei einer Explosion ums Leben gekommen.

Wie in Europa gehen die Kriegsvorbereitungen in Lateinamerika mit einer bösartigen Hetze gegen Flüchtlinge und Migranten einher. Republikaner wie Donald Trump hetzen gegen Einwanderer, um die Arbeiterklasse zu spalten. Aber auch die Obama-Regierung reagiert mit Unterdrückung. Sie sperrt Familien mit Kindern in Lager, die der sozialen Verwüstung entflohen sind, die der US-Imperialismus in Zentralamerika angerichtet hat. Sie delegiert die Unterdrückung auch an mexikanische und zentralamerikanische Sicherheitskräfte, die Flüchtlinge gefoltert und ermordet haben.

Das IKVI und die Socialist Equality Party in den Vereinigten Staaten verteidigen das bedingungslose Recht von Flüchtlingen und Migranten, im Land ihrer Wahl zu leben und zu arbeiten, frei von Unterdrückung und der Gefahr von Deportation.

Wir kämpfen für die Vereinigung der Arbeiter über alle Grenzen hinweg in einem gemeinsamen revolutionären Kampf gegen Krieg und für die Vereinigten Sozialistischen Staaten des amerikanischen Kontinents. Diese Perspektive kann nur durch den Aufbau einer sozialistischen und internationalistischen Führung in der Arbeiterklasse, das heißt von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in jedem Land verwirklicht werden.

Wieder erhebt der deutsche Militarismus sein Haupt

  • Von Ulrich Rippert, Vorsitzender der Partei für Soziale Gleichheit

Heute vor 100 Jahren sprach Karl Liebknecht hier in Berlin
auf dem Potsdamer Platz und rief die Arbeiter zum Kampf
gegen Krieg auf.

Karl Liebknecht (ca. 1911)

Karl Liebknecht (ca. 1911)

Das große Massenschlachten des Ersten Weltkriegs dauerte schon fast zwei Jahre. Millionen waren bereits gefallen. Mitten in diesem furchtbaren Krieg erhob Liebknecht mutig seine Stimme.

Sein Aufruf gegen Krieg hatte drei Punkte. Er begann mit dem Zusammenbruch der Zweiten Internationale und sprach über die verheerenden Auswirkungen des Verrats der SPD, die 1914 den Kriegskrediten zugestimmt hatte.

Er erklärte den Klassencharakter des Kriegs und sprach gegen die kapitalistischen Profitmacher. Und er betonte, dass es nur eine Kraft gibt, die dem Gemetzel ein Ende bereiten kann: das internationale Proletariat auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms. Im Aufruf zur Kundgebung schrieb Liebknecht:

»Die proletarische Internationale kann nicht in Brüssel, in Haag oder in Bern durch ein paar Dutzend Funktionäre wieder aufgerichtet werden. Sie kann nur aus der Tat der Millionen auferstehen. Sie kann nur hier in Deutschland wie drüben in Frankreich, in England, in Russland auferstehen, wenn die Massen der Arbeiter allenthalben selbst die Fahne des Klassenkampfes ergreifen und ihre Stimme mit Donnergewalt gegen den Völkermord erschallen lassen …«[1]

Ein Jahr später erhoben sich die russischen Arbeiter gegen den Zarismus und organisierten unter Führung von Lenin und Trotzki eine sozialistische Revolution, die den Krieg beendete.

Als diese Revolution im November 1918 auf Deutschland übergriff, wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet. Die damalige SPD-Regierung unter Ebert, Noske und Scheidemann erstickte hier in Berlin die Revolution im Blut.

Liebknecht und Luxemburg wurden ermordet, bevor sie die Lehren aus dem Verrat der SPD in vollem Umfang ziehen konnten, aber Lenin und Trotzki betonten, dass der Kampf gegen Krieg einen unnachgiebigen Kampf gegen Opportunismus und Nationalismus erfordert.

Heute, 100 Jahre später, kommen alle ungelösten Probleme des vergangen Jahrhunderts zurück. Wieder erhebt der deutsche Imperialismus und Militarismus sein Haupt.

Vor zwei Jahren verkündete die Bundesregierung das »Ende der militärischen Zurückhaltung«. Seither wird der Militarismus systematisch vorangetrieben. Beim Nato-Aufmarsch gegen Russland in Osteuropa, bei den Kriegen im Nahen Osten und selbst in Afrika ist die Bundeswehr an vorderster Front mit dabei.

»Die Lage ist heute gefährlicher als im Kalten Krieg«, erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Interview vor wenigen Tagen. Er sagte: »Die Welt ist auf der Suche nach neuer Ordnung. Und dieses Ringen um Einfluss, um Vorherrschaft vollzieht sich eben nicht in friedlicher Seminaratmosphäre, sondern entlädt sich auch gewaltsam.«

Die militärische Aufrüstung Deutschlands wird mit aller Macht vorangetrieben.

Die Bundesregierung hat ankündigt, die Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren um 130 Milliarden Euro zu steigern. Im Frühjahrsbericht der Bundeswehr werden 20 Rüstungsprojekte im Umfang von 60 Milliarden Euro aufgelistet. Eine neue hochmoderne »Cyberstreitmacht« mit 13.500 Soldaten wird aufgebaut und mit modernster Technik ausgerüstet.

Anfang der Dreißigerjahre hat schon einmal der deutsche Militarismus die Welt überrascht, als er in Windeseile die Niederlage des Ersten Weltkriegs und die Beschränkungen des Versailler Vertrages überwand und eine der modernsten und schlagkräftigsten Armeen aufstellte. Heute versucht der deutsche Imperialismus erneut, sich an die Spitze des weltweiten Rüstungswettlaufs zu stellen.

Gegenwärtig vollzieht sich das noch in enger Zusammenarbeit mit den USA. Bei seinem jüngsten Besuch in Deutschland organisierte Präsident Obama einen Kriegsgipfel zur Vorbereitung einer neuen militärischen Offensive in Syrien und Libyen. Unmittelbar danach kündigte die Bundeswehr an, Truppen und schweres Kriegsgerät nach Litauen zu verlegen, um die Abschreckung gegen Russland zu stärken.

Doch das Wiedererstarken des deutschen Militarismus verschärft nicht nur die Konfrontation mit Russland, sondern verstärkt auch die Spannungen zwischen den europäischen Mächten. Das Gespenst eines europäischen Kriegs kehrt zurück, und auch die transatlantischen Konflikte können schnell militärische Form annehmen.

Alle Parteien unterstützen die militärische Aufrüstung und den Kriegskurs. Die SPD fungiert als Einpeitscher und Kriegstreiber. Die Grünen haben ihren »Öko-Pazifismus« längst mit Militarismus getauscht und unterstützen die Kriegsentwicklung im Namen der Menschenrechte.

Eine besonders üble Rolle spielt die Linkspartei. Unter der Parole »Einheit gegen Rechts!« unterstützt sie die Kriegsparteien und versucht, eine sozialistische Entwicklung der Arbeiterklasse zu verhindern.

Details

Seiten
52
Jahr
2016
ISBN (ePUB)
9783886349227
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Krieg Flüchtlinge Wagenknecht Syrien

Autor

  • Peter Schwarz (Herausgeber:in)

Zurück

Titel: Nie wieder Krieg