Ein gefährlicher Wendepunkt
Anti-Trump-Demonstration in Baltimore am 12. November 2016 (Elvert Barnes Protest Photography)
Liebe Leserinnen und Leser,
die neue Ausgabe der gleichheit erscheint als Doppelausgabe. Das spätere Erscheinungsdatum ist den politischen Entwicklungen der letzten Wochen geschuldet, die Millionen von Menschen auf der ganzen Welt zutiefst schockiert haben. Ohne Zweifel stellt die Wahl von Trump einen gefährlichen politischen Wendepunkt dar. Mit ihm zieht ein obszöner Scharlatan und milliardenschwerer Demagoge ins Weiße Haus ein, dessen Präsidentschaft für Klassenkrieg, nationalen Chauvinismus, Militarismus und Polizeigewalt steht.
Die Kommentare im ersten Teil dieser Ausgabe analysieren die historischen und politischen Ursachen für Trumps Aufstieg. Letztlich ist er das Ergebnis des Zusammenbruchs der amerikanischen Demokratie und wird die internationalen Spannungen verschärfen. Vor allem die deutschen Eliten nutzen Trumps Wahlsieg als Vorwand, um ihre Pläne für eine unabhängigere und aggressivere Außen- und Militärpolitik voranzutreiben. Wichtige Analysen der World Socialist Web Site dazu finden sich im zweiten Teil zum Thema »Deutschland und Europa«.
Ein besonderer Höhepunkt dieser Ausgabe ist die Veröffentlichung des Vortrags »Philosophie und Politik in Zeiten von Krieg und Revolution« von David North. Dieser beschäftigt sich u.a. mit der Frage, warum es angesichts der tiefen sozialen, ökonomischen und politischen Krise keine internationale, revolutionäre, antikapitalistische und sozialistische Massenbewegung gibt? North analysiert dabei die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus im 20. Jahrhundert und philosophische Strömungen wie die Frankfurter Schule und die Postmoderne.
»Im Gegensatz zu den Behauptungen der Subjektivisten und Irrationalisten, wonach das von Marx aufgezeigte Subjekt der sozialistischen Revolution verschwunden sei, hat die globale Entwicklung des Kapitalismus die Reihen der Arbeiterklasse enorm verstärkt«, so North. »Die Widersprüche, die den Krieg hervorbringen, bereiten auch den Boden für die soziale Revolution.«
In diesem Zusammenhang ist die Entwicklung den deutschen Universitäten wichtig. In Bremen, Hamburg und vor allem an der Humboldt-Universität in Berlin protestieren Studierende gegen rechte Professoren, die eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung und ideologischen Rechtfertigung der neuen deutschen Kriegspolitik spielen. Die Opposition ist Bestandteil des wachsenden Widerstands in der Bevölkerung gegen Sozialabbau, Aufrüstung und Krieg in Europa und weltweit.
Im letzten Abschnitt der Resolution »Perspektiven und Aufgaben der Socialist Equality Party« heißt es auf Seite 49: »Die Zukunft der Menschheit hängt davon ab, dass eine sozialistische Bewegung in der internationalen Arbeiterklasse aufgebaut und die Krise der revolutionären Führung gelöst wird.« Wir hoffen, dass die Lektüre der neuen gleichheit dazu einen Beitrag leistet und fordern all unsere Leser auf, diesen Kampf noch stärker als bisher zu unterstützen!
Die Redaktion
Der Weg vorwärts im Kampf gegen Trump
- Erklärung der Socialist Equality Party und der International Youth and Students for Social Equality – 17. November 2016
Die Socialist Equality Party und die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) begrüßen und unterstützen die Proteste im ganzen Land gegen die Wahl von Donald Trump.
Mit diesen Demonstrationen zeigen Schüler, Studierende und andere Jugendliche, dass sie die rechte und fremdenfeindliche Politik der bevorstehenden Trump-Regierung aus tiefstem Herzen ablehnen und nicht zulassen wollen, dass die Bevölkerung nach Hautfarben gespalten wird.
In der Woche seit der Wahl hat Trump seine Entschlossenheit bekräftigt, Abtreibungen zu verbieten, Massenabschiebungen durchzuführen und in allen Fragen eine extrem rechte Politik zu betreiben. Die Ernennung von Stephen Bannon zum Chefstrategen im Weißen Haus macht deutlich, welche Gefahr der gesamten Arbeiterklasse droht. Bannon unterhält direkte Beziehungen zu weißen Nationalisten und neofaschistischen Gruppen. Mit der Wahl von Trump hat die herrschende Klasse Amerikas einen Weg eingeschlagen, der geradewegs zu autoritären Herrschaftsformen und zur gewaltsamen Niederschlagung von sozialer Opposition führt.
Die Gefühle der Demonstranten stehen in scharfem Gegensatz zur Reaktion der führenden Demokraten, die einer nach dem anderen Trump »Erfolg« wünschen und ihm ihre Zusammenarbeit zusagen.
Bei seinem Treffen mit Trump im Weißen Haus erklärte Präsident Obama, seine »oberste Priorität in den nächsten zwei Monaten« bestehe darin, dafür zu sorgen, dass »unser künftiger Präsident erfolgreich ist«. In seiner Pressekonferenz am Montag betonte Obama, dass Amerika sich nun mit einer Trump-Präsidentschaft abfinden müsse. Er lobte das »freundschaftliche Gespräch«, das er am Tag nach Clintons Eingeständnis ihrer Niederlage mit dem designierten Präsidenten geführt hatte.
Besonders erbärmlich verhält sich Senator Bernie Sanders, der versucht, Trump als Anwalt der »Mittelklasse« glaubwürdig erscheinen zu lassen. In einem Beitrag für die New York Times schrieb Sanders am Wochenende, dass er »Hand in Hand mit Präsident Trump arbeiten« möchte, wenn es um Fragen gehe, »in denen er tatsächlich etwas für die Familien der Mittelklasse und der Arbeiter tut«.
Solche Äußerungen schlagen der Wahrheit ins Gesicht, die für Millionen Arbeiter und Jugendliche auf der Hand liegt – weltweit und im ganzen Land, auch auf den Demonstrationen: Trump wird nichts tun, was im Interesse der arbeitenden Bevölkerung liegt. In Wirklichkeit bereitet er einen Generalangriff auf soziale und demokratische Rechte vor.
Unter dem Eindruck der zunehmenden Proteste hat Sanders in den letzten Tagen kritischere Töne angeschlagen und den wenig überzeugenden Versuch unternommen, sich noch einmal als Gegner des Establishments zu verkaufen. Er möchte seine Rolle in den Vorwahlen der Demokraten wiederbeleben, als er gegen die »Milliardärsklasse« wetterte und sich als Sozialist ausgab, um die wachsende Opposition gegen das politische Establishment im Rahmen der Demokratischen Partei einzufangen. Mit seinem anschließenden Aufruf zur Unterstützung Clintons, der Personifizierung des korrupten Status quo, hat er der politischen Rechten ermöglicht, die in der Arbeiterklasse weit verbreitete Wut und Frustration über den sinkenden Lebensstandard und die zunehmende soziale Ungleichheit auszunutzen, um Trump den Sieg zu bescheren.
Weder Clinton noch Obama erwähnten auch nur, dass Trump bis zu zwei Millionen Wählerstimmen weniger bekommen hat als Hillary Clinton. Sie deuteten mit keiner Silbe an, dass die historisch beispiellose Diskrepanz zwischen den Wählerstimmen und den Stimmen im Wahlmännerkollegium Trumps Anspruch widerlegt, für seine extrem rechte Agenda einen Wählerauftrag zu haben.
Die Reaktion der Demokratischen Partei auf die Wahl unterstreicht eine grundlegende politische Tatsache: Es ist nicht möglich, mit der Demokratischen Partei oder einer ihrer Fraktionen gegen Trump zu kämpfen. Diese langjährige Partei des amerikanischen Imperialismus kann nicht verändert, reformiert oder »zurückerobert« werden. Wer eine solche Perspektive verbreitet, blockiert objektiv betrachtet die Herausbildung einer unabhängigen politischen Bewegung der Arbeiterklasse.
Als Obama die Wahl als »internes Gerangel« bezeichnete, offenbarte er mehr als beabsichtigt: Die Demokraten und die Republikaner bilden gemeinsam mit der Wall Street, der CIA und dem Pentagon einen Block gegen die Arbeiterklasse. Die Demokraten sind zu Tode erschrocken über die wachsende soziale Opposition, die das kapitalistische System und die herrschende Klasse bedroht. Als Diener dieser Klasse haben sie weitaus größere Bedenken davor, Proteste der Bevölkerung zu fördern und zu legitimieren, als vor den Folgen einer Trump-Regierung.
Mit ihrer feigen Haltung gegenüber Trump und der extremen Rechten setzen die Demokraten ihre Rolle im Wahlkampf fort. Clinton machte Wahlkampf mit Skandalen und einer reaktionären Kriegshetze, die sich besonders gegen Russland richtete. Sie trat an, die Politik der Obama-Regierung fortzusetzen, die acht Jahre lang Krieg geführt hat und für wachsende soziale Ungleichheit und Angriffe auf demokratische Rechte verantwortlich ist.
Im Wahlkampf verkauften sich die Demokraten durchgängig als Partei der »Identitätspolitik«. Sie kombinierten ein Programm von Krieg und Reaktion mit der Propagierung einer Politik, die auf Rassen- und Genderfragen abhebt, um die Arbeiterklasse zu spalten und die Interessen privilegierter Schichten der oberen Mittelklasse zu fördern. Potenzielle Clinton-Wähler aller Hautfarben blieben deshalb in großer Zahl zuhause.
Diese Partei hat der arbeitenden Bevölkerung nichts zu bieten, weil sie das kapitalistische System verteidigt, das weltweit in seiner Todeskrise steckt. Trump ist ein Ergebnis des Kapitalismus.
Nach Jahrzehnten Krieg, Sparpolitik und sozialer Reaktion sind demokratische Regierungsformen unwiederbringlich unterhöhlt. Finanzparasitismus und politische Korruption beherrschen die Gesellschaft. Aus diesem Sumpf ist Donald Trump hervorgekrochen, eine Figur, die den Zusammenbruch der amerikanischen Demokratie in faschistischer Gestalt verkörpert.
Aus diesem Grund muss der Kampf gegen Trump als Kampf gegen den Kapitalismus geführt werden. Es geht darum, die arbeitende Bevölkerung und die Jugend aller Hautfarben und Geschlechter in den Vereinigten Staaten und international auf der Grundlage eines sozialistischen Programms zu vereinen. Der Widerstand muss sich nicht nur gegen eine einzelne Person richten, sondern gegen ein ganzes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln beruht und in dem die Wirtschafts- und Finanzaristokratie immer mehr Reichtum anhäuft.
Die Socialist Equality Party und die International Youth and Students for Social Equality stehen an der Spitze des Kampfs für den Sozialismus. Wir fordern alle Arbeiter und Jugendlichen auf, die SEP zu kontaktieren, der IYSSE beizutreten und noch heute diesen Kampf aufzunehmen. Es gibt keine Zeit zu verlieren.
Nach der Wahl von Trump: Die Neuausrichtung der US-Politik
- Von Patrick Martin – 19. November 2016
In den anderthalb Wochen seit Donald Trumps Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen von 2016 haben sich führende Demokraten in atemberaubender Geschwindigkeit darauf eingerichtet, den designierten Präsidenten zu unterstützen. Dieselben Personen, die Trump vor dem 8. November noch als existentielle Bedrohung für das Land bezeichnet hatten, verpflichten sich jetzt, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Was ist in den zehn Tagen seit den Wahlen passiert? Zuerst kamen die versöhnlichen Äußerungen von Präsident Barack Obama und Hillary Clinton, die in der Wahl noch Trumps Kontrahentin war. Obama erklärte am Tag nach den Wahlen, es sei seine »oberste Priorität« sicherzustellen, dass Trump »erfolgreich« ist. Dann entschuldigte sich die New York Times, die führende Tageszeitung der USA, für ihre Berichterstattung im Wahlkampf, in dem sie für Clinton Kampagne gemacht hatte.
Sogenannte »linke« Demokraten, wie die Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren, beeilten sich zu erklären, dass sie mit Trump in grundlegenden Fragen seines Programms »zusammenarbeiten« würden. Ähnlich äußerten sich Gewerkschaftsführer wie der AFL-CIO-Präsident Richard Trumka und der UAW-Präsident Dennis Williams. Nach einem Treffen mit dem designierten Vizepräsidenten Mike Pence in dieser Woche lobte Vizepräsident Joseph Biden seinen Nachfolger und erklärte, das Amt werde vom »ersten Tag« der neuen Regierung an in »guten Händen« sein.
Gleichzeitig wurde in dieser ganzen Zeit die ultrarechte politische Agenda der designierten Regierung, die in der Ernennung des Faschisten Stephen Bannon zum neuen Chefstrategen Trumps ihren schärfsten Ausdruck findet, ignoriert oder heruntergespielt. Auch die Tatsache, dass Trump voraussichtlich zwei Millionen weniger Stimmen als Clinton bekommen hat und nur aufgrund einer Mehrheit in der Wahlmännerversammlung gewinnen konnte, wird von den Demokraten und den Medien als unbequeme Wahrheit behandelt, die ihrem jetzigen Bemühen um die Stabilität der neuen Regierung im Wege steht.
Diese Entwicklung ist nicht nur das Ergebnis der altbekannten Rückgratlosigkeit der Demokratischen Partei, sondern sie hat eine bestimmte politische Logik. Die Wahlkampagne war zwar der Ausdruck von erbitterten Fraktionskämpfen innerhalb der herrschenden Klasse, doch der Ausgang der Wahl hat einer Neuausrichtung der Klassenpolitik den Weg geebnet – in eine extrem nationalistische Richtung.
Besonders aufschlussreich ist die Reaktion der demokratischen Kongressmitglieder auf die neuen Machtverhältnisse in Washington. Eingeleitet wurde diese Wende von den Demokraten im Senat, die am Mittwoch Charles Schumer zu ihrem neuen Minderheitsführer gewählt haben, nachdem dessen Vorgänger Harry Reid aus Nevada in den Ruhestand getreten war.
Schumer ist ein Senator aus New York und ein glühender Verteidiger der Interessen der Wall Street. Er vertritt außerdem eine aggressive Wirtschafts- und Handelspolitik gegen China. Über Jahre hinweg hat er zusammen mit der republikanischen Kriegstreiberin Lindsey Graham aus South Carolina Gesetzesentwürfe vorgelegt, in denen gefordert wird, dass die US-Regierung China unter der Androhung von Strafzöllen auf chinesische Importe zwingen solle, seine Währung aufzuwerten.
Der vehementeste Verfechter einer solchen Politik ist der designierte Präsident Trump. Er hat erklärt, er werde eine Verordnung erlassen, mit der China als »Währungsmanipulator« gebrandmarkt wird, und Zölle in Höhe von bis 45 Prozent verhängen, um Peking zur Aufwertung zu zwingen. Trump und Schumer kennen sich seit Jahrzehnten, und Trump hat ihn bei seinen Kampagnen im Repräsentantenhaus und im Senat unterstützt.
Die New York Times, die die Pro-Trump-Kampagne der Demokraten weitgehend unterstützt, veröffentlichte am Donnerstag einen Leitartikel unter der Überschrift: »Die überraschende Strategie der Demokraten im Senat: Ein Versuch, sich an Trump anzupassen«. Der Artikel berichtete, dass die Demokraten im Kongress »ein Programm ausarbeiten, das sich auf viele Vorschläge des designierten Präsidenten Donald J. Trump ausrichtet, die ihn in Konflikt mit seiner eigenen Partei gebracht haben«.
Da Trump keine engen Verbindungen zur Führung der Republikaner im Kongress hat, hoffen die Demokraten, ihn in bestimmten Fragen auf ihre Seite ziehen zu können, wenn sie sich sein Handelskriegsprogramm zu eigen machen, mit dem sie weitgehend übereinstimmen. Der Bericht der Times fährt fort: »Senator Chuck Schumer aus New York, der am Mittwoch zum neuen Minderheitsführer der Demokraten gewählt wurde, hat schon mehrfach mit Mr. Trump gesprochen. Außerdem planen die Demokraten, in den kommenden Wochen populistische ökonomische und ethische Initiativen vorzustellen, von denen sie glauben, dass sie Mr. Trump gefallen könnten.«
Der Versuch, das Bündnis der Demokraten mit Trump als »populistische« Wende hin zur »weißen Arbeiterklasse« darzustellen, ist ein Betrug. Das nationalistische Programm soll die Interessen der amerikanischen Konzerne gegen ihre Rivalen durchsetzen. Die Konsequenz dieser Politik sind noch brutalere Militärinterventionen auf der ganzen Welt.
Bernie Sanders wurde diese Woche in die Führung der Senatsfraktion berufen. Diese Aufwertung von Sanders’ Rolle in der Demokratischen Partei ist von großer Bedeutung. Er hatte seine Kampagne in den demokratischen Vorwahlen zu einem großen Teil auf die Opposition gegen Handelsabkommen gestützt. Auch der Senator Joe Manchin aus West Virginia, eine fanatischer Protektionist, der bereits überlegt hatte, zu den Republikanern zu wechseln, wurde jetzt in die demokratische Senatsführung aufgenommen.
Die Behauptung der Demokraten, sie werden mit Trump in bestimmten Fragen »zusammenarbeiten«, während sie in anderen gegen ihn agieren, ist eine politische Fiktion. Eine nationalistische Wirtschaftspolitik wird zwangsläufig von einem aggressiven Einsatz militärischer Gewalt im Ausland begleitet sein. Das deutete sich bereits am Donnerstagabend an, als bekannt gegeben wurde, dass Trump den ehemaligen General Michael Flynn, einen vehementen Kriegstreiber, zu seinem Nationalen Sicherheitsberater ernennen wird.
Gleichzeitig werden alle Versuche der herrschenden Klasse, das wirtschaftliche Wachstum durch nationalistische Maßnahmen anzukurbeln, mit einer größeren Ausbeutung der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten einhergehen. Die Hinwendung zu Trump signalisiert, dass die herrschende Elite sich darauf vorbereitet, autoritäre Herrschaftsmethoden und Polizeigewalt anzuwenden, um die wachsende soziale Opposition zu unterdrücken.
Die Wahl von Trump bedeutet eine deutliche Veränderung der politischen Methoden der herrschenden Klasse. Doch seine Politik befindet sich voll im Einklang mit dem allgemeinen politischen Kurs, der bereits seit Jahrzehnten verfolgt wird.
In der amerikanischen herrschenden Elite und ihren beiden politischen Parteien gibt es keine Unterstützung für einen wirklichen Kampf gegen das ultrarechte, autoritäre und militaristische Regime, das in Washington gerade Gestalt annimmt. Die neue Trump-Regierung ist eine Regierung der tiefen Krise. Sie wurde mit weniger als einem Viertel der Stimmen der Bevölkerung gewählt und hat kein Volksmandat für die brutale, reaktionäre Politik, die sie durchsetzen wird.
Der Kampf gegen Trump kann nicht durch eine Fraktion der diskreditierten Demokratischen Partei oder durch irgendeine Institution des kapitalistischen Staats geführt werden. Er erfordert die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse und den Aufbau ihrer eigenen Partei, die auf einem sozialistischen und internationalistischen Programm basiert.
Trump ernennt Stephen Bannon zum Chefstrategen: ein neues Krisenstadium der amerikanischen Demokratie
- Von Joseph Kishore – 16. November 2016
Die Berufung des Leiters von Breitbart News, Stephen Bannon, zum »Chefstrategen« Donald Trumps und das Ausbleiben merklichen Widerstands seitens der Demokratischen Partei ist politisch von weitreichender Bedeutung. Ein Mann mit direkten Beziehungen zu organisierten Faschisten und Rassisten wird als rechte Hand des Präsidenten enormen Einfluss auf die Politik der Regierung ausüben können.
Trumps Aufstieg zur Macht bedeutet, dass sich die amerikanische herrschende Klasse politisch völlig neu ausrichtet. Der Ausgang der Wahl vom 9. November war, wie sich Obama ausdrückte, das Ergebnis eines »internen Gerangels« innerhalb der herrschenden Klasse. Im Zuge dieser Auseinandersetzung gelangte sie zu einer neuen politischen Orientierung.
Trump konnte es wagen, Bannon zu ernennen, weil er weiß, dass die Demokratische Partei kein Interesse daran hat, auch nur die elementarsten demokratischen Rechte zu verteidigen. Mit ihrer unterwürfigen Reaktion auf seine Wahl haben ihm führende Demokraten –von Obama und Hillary Clinton bis hin zu Bernie Sanders und Elizabeth Warron – zu verstehen gegeben, dass er beim Aufbau einer ultrarechten Regierung noch einen Schritt weiter gehen kann.
Auf Obamas erster Pressekonferenz nach Trumps Wahl stellte die Demokratische Partei ihre ganz Gleichgültigkeit, Selbstzufriedenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit zur Schau.
Obama weigerte sich, Bannons Ernennung zu kommentieren. Es sei »seine [Trumps] Sache, ein Team zusammenzustellen«, und es sei »wichtig, ihn Entscheidungen treffen zu lassen«. Obama äußerte sich lobend über seine »freundschaftliche Diskussion« mit dem designierten Präsidenten und sagte, die amerikanische Bevölkerung müsse sich jetzt »mit der Trump-Präsidentschaft abfinden«. Seine eigene Aufgabe, fügte Obama hinzu, bestehe darin, »ihm nach Kräften zu helfen, voranzugehen und auf dem Fortschritt aufzubauen, den wir erreicht haben«.
Die Reaktion der Demokraten auf die Wahl Trumps ist besonders bemerkenswert, wenn man die genauen Umstände der Wahl betrachtet. Zum zweiten Mal innerhalb von 16 Jahren ist eine Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten nicht durch die Anzahl der Wählerstimmen entschieden worden, sondern allein durch die Zusammensetzung des Wahlmännerkollegiums. Diese Situation, die vor der Manipulation des Wahlergebnisses im Jahr 2000 zuletzt vor 112 Jahren eingetreten war, rief keinen Widerstand bei den Demokraten hervor.
Auf seiner Pressekonferenz schwieg sich Obama darüber aus, dass Trump bis zu zwei Millionen weniger Stimmen gewonnen hat als Clinton, und erwähnte nicht, dass die Wähler in den beiden wirtschaftlich wichtigsten Bundesstaaten mit großer Mehrheit gegen Trump gestimmt haben. Er wies auch nicht darauf hin, dass Trump nach Abschluss der Auszählung wahrscheinlich weniger Wählerstimmen gewonnen haben wird als Mitt Romney 2012 bei seiner Niederlage gegen Obama. Der noch amtierende Präsident nahm dies nicht zum Anlass, zu erklären, dass Trump kein Mandat der Wählerschaft für seine rechte Politik hat.
In den letzten Tagen hat Trump begonnen, den politischen Kurs seiner Regierung abzustecken. In einem Interview der Nachrichtensendung »60 Minutes« am Sonntag kündigte er an, »zwei Millionen oder gar drei Millionen« Einwanderer zu verhaften und einzusperren. Den Obersten Gerichtshof will er mit Richtern besetzen, die strikte Abtreibungsgegner sind und das Recht auf Abtreibung kippen sollen. Außerdem behielt sich Trump vor, strafrechtliche Ermittlungen gegen seine Gegnerin in der Wahl, die Demokratin Hillary Clinton, in die Wege zu leiten.
Nichts von alledem konnte der Demokratischen Partei auch nur den Hauch eines Protests entlocken. Das einzige, was die Demokraten gegenwärtig interessiert, ist ein »geordneter Machtwechsel«. Doch wohin führt dieser Wechsel?
Trump ist zwar eine neue Erscheinung in der amerikanischen Politik, aber kein völliger Bruch mit der Vergangenheit. Mit seiner Wahl beschleunigt die herrschende Klasse eine extrem antidemokratische Orientierung, die sich schon seit mehr als 25 Jahren entwickelt.
Nach der Auflösung der Sowjetunion verkündeten die Ideologen der amerikanischen herrschenden Klasse das »Ende der Geschichte«. Der Kapitalismus habe gesiegt, und nun werde ein Zeitalter des Friedens und der liberalen Demokratie anbrechen. Was in Wirklichkeit kam, waren 25 Jahre ständiger Kriege, eine immer tiefere Wirtschaftskrise, eine historisch beispiellose soziale Ungleichheit und die Zerstörung demokratischer Herrschaftsformen.
Bevor der Oberste Gerichtshof im Dezember 2000 die Neuauszählung der Stimmen in Florida stoppte und Bush den Wahlsieg schenkte, schrieb die World Socialist Web Site, das Ergebnis des Rechtsstreits »Bush vs. Gore« werde zeigen, »wie weit die amerikanische herrschende Klasse beim Bruch mit traditionellen bürgerlich-demokratischen und verfassungsmäßigen Herrschaftsformen zu gehen bereit ist«. Indem die Demokratische Partei darauf verzichtete, den Wahlbetrug zu stoppen und sich dem damit verbundenen politischen Putsch entgegenzustellen, gab sie zu erkennen, dass in der herrschenden Klasse praktisch keine Bereitschaft mehr vorhanden war, demokratische Rechte zu verteidigen.
Alles, was seither geschehen ist, hat diese Einschätzung bestätigt. Kaum ein Jahr nach ihrem Amtsantritt nahm die Bush-Regierung die Terroranschläge vom 11. September 2001 zum Vorwand, um einen »Krieg gegen den Terror« auszurufen. Dieser diente als Rechtfertigung für endlose Kriege nach außen und für die Zerstörung demokratischer Rechte im Inneren der Vereinigten Staaten.
Obama verstärkte nach seiner Wahl 2008 den Angriff auf demokratische Herrschaftsformen. In politischen Weißbüchern und Beschlüssen der Exekutive hat die Obama-Regierung dem Präsidenten die Vollmacht zugesprochen, US-Bürger ohne Anklage und Gerichtsverfahren zu ermorden. Die Folterer und Kriegsverbrecher der Bush-Regierung kamen ungestraft davon, und die Macht des Militär-, Geheimdienst- und Polizeiapparats hat enorm zugenommen.
Vieles von dem, was unter Obama zum Teil hinter den Kulissen vor sich gegangen ist, wird unter Trump viel direkter und unverhüllter praktiziert werden. Es entsteht eine Form von amerikanischem Autoritarismus, der darauf abzielen wird, die Kämpfe der Arbeiterklasse gewaltsam zu unterdrücken.
Mit der Wahl von Trump wetzt die herrschende Klasse die Messer und bereitet sich darauf vor, sie auch zu benutzen. Zugleich ist der Wirtschaftsnationalismus Trumps keine Abkehr von militaristischer Gewalt, sondern der Vorbote eines dritten Weltkriegs. Weil die amerikanische herrschende Klasse mit einer hartnäckigen globalen Krise konfrontiert ist, wird sie versuchen, ihre weltweite Vorherrschaft durch immer offenere Aggression zu retten.
Allenthalben wird versucht, die Bedeutung dieser Ereignisse kleinzureden. Die korrupten amerikanischen Medien passen sich an das neue ultrarechte Regime an. Die New York Times hat eine reumütige Entschuldigung für ihre bisherige Berichterstattung verfasst, nachdem sie im Wahlkampf unaufhörlich für Clinton getrommelt hatte. Ihre Kolumnisten, die bisher jeden, der den Wahlkampf der Demokraten nicht unterstützt hatte, scharf kritisierten, erklären nun, dass es nötig sei, »Trump Zeit zu geben«, um zu sehen, was er tut.
Solche Beruhigungspillen sind Zeichen für Feigheit und Betrug.
Die grundlegende Lehre lautet: Es ist nicht möglich, mit irgendeiner Fraktion der Demokratischen Partei gegen politische Reaktion, Krieg und Ungleichheit zu kämpfen. Während Trump ein Bündnis der Wall Street mit faschistischen Kräften verkörpert, ist die Demokratische Partei ein Bündnis der Wall Street mit privilegierten, selbstzufriedenen und eigensüchtigen Teilen der oberen Mittelklasse.
Die Demokraten machen sich über das Aufkommen von Widerstand in der Arbeiterklasse viel mehr Sorgen als über taktische Differenzen mit Trump. Sie wissen genau, dass es in der Bevölkerung eine enorme Opposition gegen beide Parteien gibt, und wollen um jeden Preis verhindern, dass diese Opposition einen politischen Ausdruck findet. Kein einziger prominenter Vertreter der Demokraten hat bisher seine Solidarität mit den Protesten gegen Trumps Wahl erklärt, Verständnis für die Demonstranten geäußert oder sich ihnen gar angeschlossen.
Während Trumps Wahlsieg eine starke Wende der amerikanischen herrschenden Klasse nach rechts anzeigt, bewegen sich Millionen Arbeiter und Jugendliche politisch in eine andere Richtung. Trump konnte die soziale Unzufriedenheit ausnutzen, weil die Demokratische Partei politisch bankrott ist, die Wahlbeteiligung gering war und das politische Establishment insgesamt verhasst ist. Aber die meisten Wähler Trumps wollten nicht für ein rechtsextremes Regime stimmen. Je mehr der Charakter seiner Regierung deutlich wird, desto mehr wird die soziale und politische Opposition zunehmen.
Die Socialist Equality Party und ihre Kandidaten Jerry White und Niles Niemuth haben an der Wahl 2016 teilgenommen, um die politischen Grundlagen für eine sozialistische Bewegung der Arbeiterklasse zu legen. Das Ziel unseres Wahlkampfs war der Aufbau einer Führung in der Arbeiterklasse, um die kommenden Kämpfe vorzubereiten, egal, ob Trump oder Clinton ins Weiße Haus einzieht.
Die Wahl von Trump unterstreicht die Dringlichkeit dieser Aufgabe. Im ganzen Land muss Widerstand gegen die Trump-Regierung und ihre Politik aufgebaut und organisiert werden. Alle Arbeiter und Jugendlichen, die nach einer Möglichkeit suchen, den Kampf aufzunehmen, sollten die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Wahl von 2016 ziehen und sich der Socialist Equality Party und den International Youth and Students for Social Equality anschließen.
Von der »politischen Revolution« zur Kollaboration: Sanders und Warren bieten Trump Zusammenarbeit an
- Von Patrick Martin und Joseph Kishore – 15. November 2016
In den Vereinigten Staaten finden gegenwärtig zwei parallele Entwicklungen statt.
Erstens stellt der gewählte Präsident Trump zügig Führungspersonal für eine Regierung der extremen Rechten zusammen. Das zeigt sich vor allem in der Ernennung des Herausgebers von »Breitbart News«, Stephen Bannon, zu seinem Chefstrategen. Damit erhält ein Mann, der bekanntermaßen Beziehungen zu rassistischen und faschistischen Organisationen unterhält, eine mit großer Macht verbundene Stellung in der künftigen Regierung Trump.
Dies ist umso bedrohlicher, als Trump in einem Interview in der Sendung »60 Minutes« am Sonntagabend angekündigt hat, drei Millionen irreguläre Einwanderer zu deportieren, die Gerichte mit offenen Abtreibungsgegnern zu besetzen und seine Gegenkandidatin bei den Wahlen, Hillary Clinton, womöglich doch noch anzuklagen.
Zweitens machen die Demokratische Partei und die Medien munter weiter, als sei nichts gewesen und alles ganz normal. Sie heben eine Regierung, wie es sie in der amerikanischen Geschichte noch nie gegeben hat, in den Rang der Normalität. Nach der Wahl am 8. November erklärte Präsident Obama gegenüber Trump, er werde »alles tun, um ihm zum Erfolg zu verhelfen«. Hillary Clinton äußerte sich ähnlich: Sie hoffe, dass Trump »ein erfolgreicher Präsident aller Amerikaner« sein werde.
Ihren erbärmlichsten und abstoßendsten Ausdruck fand diese Unterwerfung unter die extreme Rechte bei Bernie Sanders. Er meldete sich in der New York Times vom Sonntag und in einem anschließenden Fernsehinterview in der CBS-Sendung »Face the Nation« zu Wort. Sanders, der sich anfangs als Anführer einer »politischen Revolution« gegen die »Milliardärsklasse« ausgab, kapitulierte erst jämmerlich vor Clinton und ist jetzt bei dem Versprechen angelangt, mit Trump zusammenzuarbeiten.
In seinem Times-Artikel erklärte Sanders: »Der künftige Präsident Trump hat Recht. Die amerikanische Bevölkerung will eine Veränderung. Aber welche Veränderung wird er ihr bieten? Wird er den Mut haben, sich gegen die Mächtigsten in diesem Land zu stellen, die so viele Arbeiterfamilien in wirtschaftliche Not gestürzt haben, oder wird er die Wut der Mehrheit gegen Minderheiten, Einwanderer, die Armen und Hilflosen richten?«
In der CBS-Sendung sagte Sanders, soweit sich Trump bemühe, »arbeitenden Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen, werden wir fallbezogen mit ihm zusammenarbeiten«. Direkt an Trump gewandt sagte er: »Sie haben sich als Fürsprecher der Arbeiterfamilien ausgegeben. Jetzt müssen Sie liefern. Ihre Worte waren schön, jetzt müssen Taten folgen.«
Sanders Position ist vollkommen absurd. In Wirklichkeit ist sonnenklar, wofür Trump steht und was für eine Regierung er führen wird. Er hat angekündigt, die Unternehmenssteuern zu senken, gesetzliche Auflagen für die Wirtschaft abzubauen, die Sozialprogramme zu kürzen, die Angriffe auf die Arbeiterklasse zu verschärfen, das Militär massiv aufzurüsten und die noch verbliebenen demokratischen Rechte zu zerschlagen. Die Frage in den Raum zu stellen, ob Trump Maßnahmen ergreifen könnte, um »arbeitenden Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen«, bedeutet Illusionen zu schüren und Trump Zeit für die Konsolidierung seiner reaktionären Regierung zu verschaffen.
Mit seinem Kniefall vor Trump offenbart Sanders sowohl seinen bodenlosen Opportunismus als auch den wirklichen Zweck seines Wahlkampfs bei den Vorwahlen der Demokraten. Wenn es Sanders auch nur im Geringsten ernst wäre, dann würde er die Arbeiterklasse vor den extremen Gefahren warnen, die ihr drohen, und erklären, dass er die kommende Regierung weder akzeptieren noch mit ihr zusammenarbeiten werde. Er würde Trump unter Verweis auf seinen Stimmenrückstand gegenüber Clinton das Mandat der Bevölkerung für seine Politik absprechen.
Abgesehen von Sanders politischer Kriecherei gibt es für das von ihm avisierte Zusammengehen mit Trump auch eine gemeinsame wirtschaftspolitische Grundlage. Im Vorwahlkampf hatte Sanders die Demokratische Partei gedrängt, die nationalistische und protektionistische Politik Trumps zu übernehmen. Er führte den Niedergang des Lebensstandards der Arbeiter auf die Globalisierung und internationale Handelsverträge zurück, ohne dies mit einer Kritik am Kapitalismus als System zu verbinden. Das Ziel war, die Wut der Arbeiter in den Vereinigten Staaten gegen die Arbeiter in China, Mexiko und anderen Ländern zu richten und nicht gegen die riesigen Konzerne, die die Arbeiter im jedem Land ausbeuten.
Die andere Anführerin der »linken« Fraktion der Demokratischen Partei, Elizabeth Warren, schlug in die gleiche Kerbe. Einen Tag nach der Wahl erklärte sie, Trump habe »versprochen, die Wirtschaft im Interesse der arbeitenden Bevölkerung wieder aufzubauen. Ich biete an, unsere Differenzen beiseite zu lassen und bei dieser Aufgabe mit ihm zusammenzuarbeiten.«
In einer Rede vor dem Vorstand des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO in Washington führte Warren am vergangenen Freitag die Punkte auf, in denen man mit der neuen Regierung zusammenarbeiten könne. Insbesondere nannte sie die Ablehnung von Handelsverträgen und die Befürwortung von Wirtschaftsnationalismus. Sie sprach im Anschluss an den Vorsitzenden des AFL-CIO, Richard Trumka, und den Vorsitzenden der Autoarbeitergewerkschaft (UAW) Dennis Williams. Laut Williams sehen die Gewerkschaften »hervorragende Möglichkeiten für eine gemeinsame Basis« mit Trump.
Parallel zu dieser politischen Neuausrichtung findet noch ein dritter Prozess statt. Zehntausende Demonstranten im ganzen Land machen auf den Straßen klar, dass sie genau wissen, was Trump repräsentiert. Aber ihr Zorn und ihre Empörung finden im politischen Establishment keinen Ausdruck. Führende Demokraten schweigen entweder über die Proteste, distanzieren sich von ihnen oder sprechen sich direkt gegen sie aus.
Die Demokratische Partei ist nicht weniger eine Partei der Wall Street als die Republikaner. Sie leistet deswegen keinen Widerstand, weil sie die Folgen einer Oppositionsbewegung weitaus schlimmer fände als ihre taktischen Differenzen mit den Republikanern und Trump.
Ein wesentliches Problem der Demonstrationen besteht darin, dass viele Teilnehmer immer noch Illusionen über die Rolle der Demokratischen Partei haben. Tatsache aber ist, dass die Demokratische Partei, von Obama und Clinton bis Sanders und Warren, durch ihre Politik Trump erst den Weg geebnet hat und nun ihre Bereitschaft erkennen lässt, mit ihm gemeinsam eine Politik des Kriegs nach außen und der Reaktion im Inneren durchzusetzen.
In den kommenden Monaten wird die Unzufriedenheit der Bevölkerung zunehmen. Die Arbeiter – auch diejenigen, die Trump gewählt haben – werden merken, womit sie es zu tun haben. Die Opposition gegen Trump kann nicht mit der Demokratischen Partei oder im Bündnis mit ihr organisiert werden, sondern nur in einem harten, kompromisslosen Bruch mit ihr, mit allen ihren politischen Handlangern und mit dem kapitalistischen System, das sie verteidigen.
Das Märchen von der »reaktionären weißen Arbeiterklasse«
- Von Eric London – 14. November 2016
Die Demokratische Partei und die Medien schreiben Trumps Wahlsieg allgemein der Unwissenheit, der Rückständigkeit und dem tief verwurzelten Rassismus und Sexismus der »weißen Arbeiterklasse« zu.
Die New York Times veröffentlichte letzten Mittwoch einen Artikel mit der Überschrift »Der Grund für Trumps Sieg: Weiße Arbeiter«. Am Donnerstag erklärte Times-Kolumnist Charles Blow: »Man muss davon ausgehen, dass Donald Trump ein bigotter Präsident sein wird. Es ist absolut möglich, dass Amerika ihn nicht trotzdem, sondern gerade deshalb gewählt hat.«
Die sogenannte linke Presse verfolgt den gleichen auf Rassenfragen konzentrierten Erklärungsansatz. So schrieb Monica Potts vom Magazin The Nation mit gehässigem Sarkasmus: »Es mangelte im Wahlkampf nicht an einfühlsamen, bekümmerten Schilderungen der weißen Arbeiterklasse und ihrer wirtschaftlichen Sorgen …«
Potts erklärt Trumps Wahlsieg in Begriffen von Identität, Rasse und Geschlecht: Die Arbeiterklasse in ländlichen Gebieten verdiene »mehr Geld als ihre armen Nachbarn. Sie glauben, sie würden im Gegensatz zu anderen – ihren Nachbarn, Einwanderern, Afroamerikaner in den Innenstädten – hart arbeiten … Es könnte ihnen zwar durchaus besser gehen und sie haben es wirklich nicht leicht, aber in dieser Wahl ging es um ihre kulturelle Identität … Es ging nicht um Sorgen, sondern um Identität.«
Diese identitätsbasierte Auslegung der Präsidentschaftswahl führt zu einem falschen Bild, das von einer einfachen Analyse der Daten widerlegt wird.
Einbruch der Stimmen für die Demokratische Partei
Die bedeutendste Statistik der Wahl 2016 zeigt, dass sowohl die Demokraten als auch die Republikaner massiv an Unterstützung verloren haben. Hillary Clinton erhielt etwa 10 Millionen Stimmen weniger als Barack Obama vor acht Jahren (wobei die noch nicht ausgezählten Stimmen aus Kalifornien dieses Ergebnis noch leicht verändern könnten). Trump, der in absoluten Zahlen weniger Stimmen erhielt als Clinton und dennoch aufgrund des Wahlsystems gewann, bekam so wenige Stimmen wie kein anderer Kandidat (Demokrat oder Republikaner) seit 2000. Diese Zahlen sind besonders aussagekräftig, wenn man bedenkt, dass sich die Zahl der Wahlberechtigten seit 2008 um 18 Millionen erhöht hat.
Die Zahl der Wähler, die sich 2016 enthalten oder für eine dritte Partei gestimmt haben, ist mit 99 Millionen deutlich höher als die Stimmenzahl für beide Kandidaten. Diese hohe Enthaltung ist kein Ausdruck von Apathie, sondern von sozialer Unzufriedenheit. Mit anderen Worten, Clinton und Trump haben zwar 26,6 bzw. 25,9 Prozent der Stimmen erhalten, aber 43,2 Prozent der Wähler haben für keinen von beiden gestimmt.
Unter Trumps Wählern waren knapp über 27 Millionen weiße Männer. Das entspricht etwa der Zahl von 27,2 Millionen weißen Männern, die 2012 für den Republikaner Mitt Romney gestimmt hatten. Von den Frauen stimmten dieses Jahr 35,5 Millionen für Clinton, deutlich weniger als die 37,6 Millionen, die 2012 für Obama gestimmt hatten. Bemerkenswerterweise stimmten nur 30 Prozent der wahlberechtigten Frauen für Clinton, 47 Prozent enthielten sich.
Stimmenanteil von Trump, Clinton und Sonstigen
Mit Clinton erlitten die Demokraten auch deutliche Verluste unter Afroamerikanern, Latinos und Jungwählern. Barack Obama hatte im Jahr 2012 16,9 Millionen Stimmen von Afroamerikanern erhalten, Clinton erhielt 2016 nur 13,7 Millionen. Bei den Latinos gewann Clinton mit knapp über 9 Millionen ebenso viele Stimmen wie Obama 2012, obwohl die Zahl der wahlberechtigten Latinos in den letzten vier Jahren deutlich gestiegen ist. Unter 18- bis 29-Jährigen erhielt Clinton 13,6 Millionen Stimmen, d.h. etwa 8 Prozent weniger als Obama 2012 (14,8 Millionen), obwohl diese Altersgruppe ebenfalls deutlich gewachsen ist.
Stimmenanteil der Demokraten bei Jugendlichen und Minderheiten, 2012 und 2016
Betrachtet man die prozentualen Anteile der abgegebenen Stimmen, so konnte der Kandidat der Republikaner im Vergleich zu 2012 bei allen ethnischen Gruppen zulegen. Doch gerade unter weißen Wählern war der Zugewinn der Republikaner mit 1 Prozentpunkt am geringsten. Bei Afroamerikanern lag er bei 7, bei Latinos bei 8 und bei asiatischstämmigen Amerikanern bei 11 Prozentpunkten.
Diese Verschiebungen vor dem Hintergrund einer hohen Wahlenthaltung waren größtenteils auf wirtschaftliche Themen zurückzuführen. 52 Prozent der Wähler bezeichneten die Wirtschaft das wichtigste Thema der Wahl. Das zweitwichtigste Thema folgte weit abgeschlagen mit 18 Prozent. Rassen- und Genderfragen wurden nicht erwähnt. 68 Prozent der Wähler erklärten, ihre finanzielle Lage habe sich in den letzten vier Jahren entweder nicht verändert oder verschlechtert. 39 Prozent gaben an, sie wollten einen Kandidaten, der »Veränderungen bewirken kann«, und von diesen stimmten 83 Prozent für Trump. Dies ergab zusammen etwa 40 Millionen Stimmen bzw. zwei Drittel von Trumps Gesamtergebnis.
Ein weiteres Anzeichen dafür, dass Trump mit »Veränderungen« identifiziert wurde, ergibt sich aus dem Abstimmungsverhalten der 18 Prozent Wähler, die nach eigenem Bekunden beide Kandidaten nicht mochten. Sie stimmten zu 49 Prozent für Trump und zu 29 Prozent für Clinton. Vierzehn Prozent erklärten, keiner der beiden Kandidaten sei als Präsident geeignet. In dieser Gruppe setzte sich Trump mit 71 zu 17 Prozent gegen Clinton durch. Zwar gaben 57 Prozent der Wähler an, Trump als Präsident würde ihnen Sorge oder Furcht bereiten, doch auch in dieser Gruppe erhielt Trump 14 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, wie tief der Hass auf das politische Establishment sitzt.
Sowohl unter den ärmsten als auch unter den reichsten Bevölkerungsgruppen kam es zu starken Verschiebungen, was die Unterstützung für eine der beiden großen Parteien anbelangt. Unter den ärmsten Teilen der Arbeiterklasse mit einem Familieneinkommen von weniger als 30.000 Dollar stieg die Unterstützung für die Republikaner im Vergleich zu 2012 um 10 Prozentpunkte. Noch ausgeprägter war der Umschwung der ärmsten Wähler zugunsten von Trump in mehreren wichtigen Bundesstaaten im mittleren Westen: in Wisconsin um 17 Prozentpunkte, in Iowa um 20, in Indiana um 19, und in Pennsylvania um 18.
Bei Familien mit einem Einkommen von 30.000–50.000 Dollar wanderten 6 Prozent der Wähler zu den Republikanern ab. Bei den Familien mit einem Einkommen zwischen 50.000 und 100.000 Dollar sank der Anteil an Republikaner-Wählern im Vergleich zu 2012 um 2 Prozentpunkte.
Die Begüterten und die Reichen stimmten in deutlich größerem Umfang für Clinton als für den Kandidaten der Demokraten im Jahr 2012. In der Einkommensgruppe zwischen 100.000 und 200.000 Dollar gewann Clinton gegenüber dem vorherigen Ergebnis der Demokraten 9 Prozent hinzu. Unter Wählern mit einem Familieneinkommen von über 250.000 Dollar stieg die Zahl der Clinton-Wähler um 11 Prozentpunkte. Die Zahl der Demokraten-Wähler im reichsten Wählerblock stieg von 2,16 Millionen im Jahr 2012 auf 3,46 Millionen im Jahr 2016, d.h. um volle 60 Prozent.
Clintons Zuwachs an Stimmen bei den Reichen (1,3 Millionen) konnte ihre Verluste unter Frauen (2,1 Millionen), Afroamerikanern (3,2 Millionen) und Jugendlichen (1,2 Millionen) aus ärmeren Schichten nicht ausgleichen.
Clintons Wahlniederlage ist auf den Charakter ihrer Partei zurückzuführen. Die Demokraten stehen für ein Bündnis der Wall Street und des Militär- und Geheimdienstapparats mit privilegierten Teilen des Kleinbürgertums. Zusammengehalten wird dieses Bündnisses durch eine Politik, die um Hautfarbe, Geschlecht und sexuelle Orientierung kreist. In den letzten 40 Jahren und beschleunigt unter Obama hat die Demokratische Partei jeden Anspruch auf Sozialreformen aufgegeben. Zusammen mit den Republikanern und den Gewerkschaften hat sie eine Sozialpolitik betrieben, die große Teile der Arbeiterklasse in Armut gestürzt hat, und zwar ganz unabhängig von Hautfarbe oder Geschlecht.
Die derzeitige politische Lage ist für die amerikanische und internationale Arbeiterklasse sehr gefährlich. Trumps Regierung wird die reaktionärste in der Geschichte Amerikas sein. Gleichzeitig kündigt sein Wahlsieg explosive soziale Unruhen an.
Die Socialist Equality Party tritt für die Einheit der Arbeiterklasse ein. Die Aufgabe von Sozialisten besteht darin, die Arbeiterklasse auf die kommenden Unruhen vorzubereiten. Wir widersetzen uns allen Versuchen, Arbeiter auf der Grundlage von Hautfarbe, Nationalität oder Geschlecht gegeneinander auszuspielen. Wer dem zustimmt, sollte heute noch der Socialist Equality Party beitreten.
Rassen- und Klassenfragen bei Trumps Wahlsieg
- Von Barry Grey – 11. November 2016
Die Medienvertreter und Funktionäre der Demokratischen Partei stellen die Wahlschlappe, die zum Sieg Donald Trumps bei den Präsidentschaftswahlen geführt hat, als Ausdruck des allgegenwärtigen Rassismus und Sexismus der »weißen Arbeiterklasse« dar.
Typisch für die Versuche, nach den Wahlen die Frage der »Rasse« zum zentralen Thema zu machen, sind die Äußerungen des CNN-Berichterstatters und früheren Beraters von Obama, Van Jones. Über Trumps Sieg sagte er: »Das war ein Schlag der Weißen gegen ein sich wandelndes Land« und »gegen einen schwarzen Präsidenten«.
Eduardo Porter von der New York Times schrieb in der Ausgabe von Mittwoch, dass der Niedergang von Clinton und den Demokraten »ein besorgniserregendes Bild von der amerikanischen Gesellschaft zeichnet«. Er erklärte: »Es ist ein Bild, das von Rassismus geprägt ist, der über allen anderen Überlegungen steht […]«.
Die Analyse der Wahlen von 2016 durch das Prisma von »Race« – und in einem etwas geringeren Ausmaß von »Gender« – steht in eklatantem Widerspruch zu den Tatsachen. Die Wählerschaft, die Clinton – Multimillionärin und Verkörperung des politischen Status Quo – abgelehnt hat, hatte mit ihren Stimmen Obama zweimal ins Weiße Haus gebracht.
Trump verdankt seinen Sieg weitgehend einer gestiegenen Wahlteilnahme von Weißen im Alter von 45 bis 65 Jahren, ohne einen College-Abschluss und vorwiegend Männern. Diese Zielgruppe stimmte mit großer Mehrheit für den republikanischen Milliardär.
Diese Menschen wurden zwischen 1952 und 1971 geboren und begannen ihr Arbeitsleben zwischen 1970 und 1989. Ihr Alltag war geprägt von Massenentlassungen, sinkenden Löhnen und immer schlechteren Arbeitsbedingungen.